11. September: Blick zurück, Blick nach vorn
Zehn Jahre sind vergangen, seit Anhänger Osama bin Ladens den tödlichsten Terroranschlag verübten, den es je auf amerikanischem Boden gab. Das Land tut sein Bestes, um den Terrorismus zu bekämpfen, doch in vielen Teilen der Welt ist er etwas, mit dem man leben muss. Wird es immer so sein?
Am 11. September 2001, einem Dienstag, wurden die Menschen im Osten der USA von einem schönen Spätsommermorgen begrüßt. Es war einer jener Tage, die uns fröhlich stimmen und unserem Gang Schwung geben. Angenehme Temperaturen und ein klarer Himmel hießen die Pendler auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit willkommen.
Sie konnten nicht ahnen, dass an diesem Morgen 19 Männer vier Transkontinentalflüge antraten, um die Hoffnung auf einen schönen Tag zunichtezumachen. Am selben Vormittag sollte die Zahlenkombination „9/11“ – in den USA die Schreibweise des 11. September, aber auch die Notrufnummer – eine ganz eigene Bedeutung bekommen. Seit jenem Tag ist „9/11“ der Inbegriff des Schreckens und gleichzeitig des heldenhaften Einsatzes.
Nachdem sie die Sicherheitskontrollen der Flughäfen erfolgreich hinter sich gebracht hatten, waren die Männer in Stellung, um ihren tödlichen Plan zu verwirklichen. Ihre Taktik war den Flugsicherheitsbehörden nicht bekannt. Bei früheren Flugzeugentführungen hatten die Täter gewöhnlich Forderungen gestellt – ein entführtes Flugzeug musste ein bestimmtes Ziel anfliegen und dort landen, damit verhandelt werden konnte. Noch nie war es vorgekommen, dass gleichzeitig mehrere Verkehrsflugzeuge gekapert wurden, um sie mit ihren Tausenden von Litern Kerosin zu selbstmörderischen Lenkwaffen zu machen. Die Entführer wollten nichts anderes als Zerstörung und Massenmord. Da Amerika auf einen solchen Anschlag nicht vorbereitet war, erwies sich die neue Strategie als äußerst effektiv.
Verlauf des 11. September
„Um 08:46:40 Uhr stürzte Flug 11 der American Airlines in den Nordturm des World Trade Center in New York City. Alle Personen an Bord und eine unbekannte Zahl von Menschen in dem Gebäude waren sofort tot. […]
Um 09:03:11 Uhr traf Flug 175 der United Airlines den Südturm des World Trade Center. Alle Personen an Bord und eine unbekannte Zahl von Menschen in dem Gebäude waren sofort tot. […]
Um 09:37:46 Uhr raste Flug 77 der American Airlines mit einer Geschwindigkeit von etwa 530 Meilen pro Stunde in das Pentagon. Alle Personen an Bord sowie viele zivile und militärische Mitarbeiter wurden getötet. […]
Soweit bekannt, verliefen die ersten 46 Minuten des United-Fluges 93 quer über die Vereinigten Staaten routinemäßig. Die Funkmeldungen von der Maschine waren normal. Richtung, Geschwindigkeit und Flughöhe waren planmäßig. […] Die Entführer schlugen um 09:28 Uhr zu. […] Bei den letzten fünf Telefonaten von Passagieren wurden Informationen über die Anschläge des früheren Vormittags auf das World Trade Center ausgetauscht. Bei fünf Gesprächen wurde die Absicht von Passagieren und noch lebenden Crewmitgliedern beschrieben, gegen die Entführer zu revoltieren. Einem Gespräch zufolge stimmten sie ab, ob sie die Terroristen angreifen und versuchen sollten, die Maschine aus ihrer Gewalt zu befreien. Sie fassten den Entschluss und handelten. Um 09:57 Uhr begann der Angriff der Passagiere. […] Die Passagiere setzten ihren Angriff fort, und um 10:02:23 Uhr sagte ein Entführer: ,Zieh sie runter! Zieh sie runter!‘ Die Entführer waren noch an den Schalthebeln, müssen aber gewusst haben, dass es nur noch Sekunden dauern würde, bis die Passagiere sie überwältigten. Die Maschine sackte ab, und das Steuerrad wurde nach rechts gerissen. Die Maschine drehte sich auf den Rücken, und einer der Entführer begann zu rufen: ,Allah ist der Größte! Allah ist der Größte!‘ Die Geräusche des Gegenangriffs der Passagiere waren weiter zu hören, und dann stürzte die Maschine, etwa 20 Flugminuten von Washington, D. C., entfernt, mit 580 Meilen pro Stunde in ein leeres Feld in Shanksville, Pennsylvania.“
Der 9/11 Commission Report fasst die tragischen Folgen zusammen. Den Luftangriffen auf New York und Washington fielen fast 3 000 Menschen zum Opfer. Wahrscheinlich wären entweder im Kapitol oder im Weißen Haus zahllose weitere Menschen gestorben, hätten nicht die tapferen Passagiere von Flug 93 der United Airlines entschlossen eingegriffen.
Die Zeugen der Zerstörung, die in der Nähe der Anschlagsziele in New York, Pennsylvania und Virginia gewesen waren, konnten nicht fassen, was sie gesehen und erlebt hatten. Einige verglichen es mit einem Bombeneinschlag oder einem Vulkanausbruch. Andere blickten durch die ruß- und rauchgeschwängerte Luft auf ihre vertraute Stadtlandschaft und verglichen sie mit ihrer Vorstellung von der Hölle.
Die Ereignisse dieses Tages brannten sich in die amerikanische Psyche ein, als die Bürger in Echtzeit-Fernsehbildern sahen, wie das Grauen seinen Lauf nahm. Einige sagten später, am 11. September habe sich die Welt für immer verändert. Amerika musste sich wohl oder übel der Tatsache stellen, dass der Terrorismus auf seinem Kontinent angekommen war – einem Kontinent, der, soweit man sich erinnern konnte, immer komfortabel gewesen war. Amerika erwachte in einer erschreckenden Realität, die andernorts schon lange herrschte.
Bei den unvermeidlichen Schuldzuweisungen, die dann folgten, sahen manche die Ursache in der amerikanischen Außenpolitik und meinten, das Land hätte sich den dreisten Anschlag selbst zuzuschreiben. Diese Diskussion wird vielleicht nie enden, doch eines ist gewiss: Amerika lernte das neue Gesicht des Krieges kennen, bei dem Orte des Wirtschaftsgeschehens und sogar der Erholung die neuen Schlachtfelder sind.
Der Weg nach vorn
An jenem ersten Abend sagte Präsident George W. Bush seinen erschütterten, trauernden Landsleuten in einer kurzen Fernsehansprache: „Heute hat unsere Nation das Böse gesehen – das Allerschlimmste der menschlichen Natur.“
„Die Ersthelfer von heute leben in einer Welt, die durch die Anschläge vom 11. September eine andere geworden ist. […] Eine erneuerte Entschlossenheit, vorbereitet zu sein, ist vielleicht die beste Ehrung des Andenkens an die, die wir an jenem Tag verloren haben.“
Die Erfahrung des Bösen in einem so enormen Ausmaß offenbarte unsere Anfälligkeit gegenüber Mordabsichten – in der Tat dem Allerschlimmsten der menschlichen Natur. Doch während die Auswirkungen des Bösen so drastisch gezeigt wurden, war ein spezifischer Grund für das Geschehene weniger leicht zu erkennen.
Der für mehrere Zeitungen tätige Kolumnist George F. Will schrieb in einem Artikel, der einen Tag nach den Anschlägen erschien: „Das eigentliche Ziel des Terrorismus ist nicht die Vernichtung von Menschen oder Vermögenswerten, erst recht nicht irgendetwas, das auch nur annähernd militärischen Siegen ähnelt. Sein Ziel ist es vielmehr, zu demoralisieren.
Terrorismus gewinnt seine Macht aus dem besonderen Schrecken seiner Beliebigkeit sowie aus seiner Vorzugsbehandlung durch moderne Medien, die die Täter als das erscheinen lässt, was sie nicht sind: mächtig. Terrorismus ist die Taktik der Schwachen.“
Die Amerikaner wurden angehalten, ihr Leben weiterzuführen und sich durch Terrordrohungen nicht demoralisieren zu lassen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Terrorismus macht nicht nur Angst – er zwingt uns zu der Erkenntnis, dass Menschen zu solchen Abgründen des Hasses fähig sind (s. „Werdegang eines Terroristen“). Die hebräische heilige Schrift beschreibt die Schlechtigkeit, die sich im Menschenherzen festsetzen kann (Jeremia 17, 9). Direkt vor den Ereignissen des 11. September, in der Ausgabe Sommer 2001, analysierte Vision dieses Thema in einem langen Artikel mit dem Titel „Das Herz voller Gewalt“). Wie der Artikel aufzeigt, kann es sogar vorkommen, dass Menschen im Namen Gottes Morde begehen und rechtfertigen (Johannes 16, 2-3).
Tatsächlich waren die Ereignisse des 11. September unvorhergesehen und beunruhigend – aber nicht einzigartig. Die Menschheitsgeschichte ist voller Gräueltaten, in denen sich das Antlitz des Bösen widerspiegelt. Seit Urzeiten haben die meisten Menschen mit der Angst gelebt, dass man ihnen etwas antut. Doch die hohe technologische Entwicklung mancher Aspekte der modernen Gesellschaft verstärkt diese Gefahr. George Will schreibt: „Die Komplexität urbaner Industriegesellschaften macht sie inhärent anfällig gegenüber gut gezielten Angriffen, die die Abläufe und die Vernetzung jener Gesellschaften zerreißen. Die neue Abhängigkeit von Informationstechnologien erhöht die Anfälligkeit um ein Vielfaches.“
Will fährt fort: „Das makabre Paradoxon ist, dass Terrorismus – eine besonders primitive Handlungsweise – in einer symbiotischen Beziehung mit der hohen Entwicklung seiner Ziele steht. Und mit dem immer höheren Entwicklungsstand der Gesellschaften vervielfachen sich die Gelegenheiten für Makroterrorismus gegen ganze Städte und ihre Wasser-, Lebensmittelversorgungs- und Informationssysteme.“
In den zehn Jahren seit jenem 11. September wurde viel unternommen, um weitere Anschläge zu verhindern. Es wurden Sicherheitssysteme und -maßahmen für den Luftverkehr eingeführt, Kooperationen zwischen Behörden verstärkt, Protokolle und Verfahren eingerichtet und Milliarden für die Bekämpfung des Terrorismus ausgegeben. Es gab Rufe nach internationaler Zusammenarbeit, intensive diplomatische Bemühungen und militärische Einsätze. Jedermann im Westen wurde ermahnt, aufmerksam zu sein: „Wenn Sie etwas sehen, sagen Sie etwas.“ Und in ihrer Gesamtheit haben diese Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit weiterer Terroranschläge deutlich verringert.
„Es ist meine Hoffnung, dass das Leben in den kommenden Monaten und Jahren fast wieder normal werden wird. Aber unsere Entschlossenheit darf nicht nachlassen. Jeder von uns wird sich erinnern, was an jenem Tag geschehen ist und wem es geschehen ist.“
Dennoch bleibt die Furcht, gegenüber bösen Absichten anderer anfällig zu sein. Am 11. September 2011, ein Jahrzehnt nach der Katastrophe, werden viele Menschen innehalten und über die Tragödie nachdenken – fest entschlossen, sie nie zu vergessen. Einige werden an Gedenkfeiern teilnehmen, um sich an das Geschehene zu erinnern. Andere werden den Mut und die Tapferkeit der Rettungsmannschaften ehren, um ihre Verachtung gegenüber denen zu zeigen, die so feige waren, Zivilisten zu attackieren. New York wird von Trauermärschen mit Dudelsäcken und Trommeln widerhallen. Im Pentagon wird ein Vertreter der Regierung einen Kranz niederlegen. Es wird Gebetswachen und Schweigeminuten geben, und überall im Land wird der Refrain „God Bless America“ zu hören sein.
Eine neue Weltordnung
Die Bibel, die so deutliche Worte für das Potenzial des Menschenherzens zum Bösen hat, offenbart gleichzeitig das Gegenmittel. Der hebräische Prophet Jesaja stellt Sicherheit als Nebeneffekt richtiger Lehre dar (Jesaja 54, 13-17, Gute Nachricht Bibel). Freiheit von Terror und die Beseitigung von Angst werden mit Rechtschaffenheit oder richtiger Lebensweise identifiziert. Diese Rechtschaffenheit, oder auch Gerechtigkeit, kommt von Gott und ist das Erbe derer, die sich ihm unterwerfen.
Erinnern wir uns am zehnten Jahrestag des 11. September an Gottes Willen, dass sich Menschen aller Völker zu ihm bekehren und Rechtschaffenheit lernen (Apostelgeschichte 10, 34-35). Jesaja zeigt, dass bleibender Friede die Folge ist, wenn Menschen auf Gottes Lehre hören (Jesaja 2, 1-5). Derselbe Gott verheißt in Offenbarung 21, 4-5, dass er in der neuen Ordnung, die auf der Erde herrschen wird, allen die Tränen über das Böse und seine Folgen von den Augen abwischen wird.