Am Anfang

Der walisische Comedian, Sänger und Poet Max Boyce erzählt in seiner Show Geschichten, die allesamt in Beziehung zu seinem geliebten Wales stehen. Häufig schlägt darin die nationale Rugbymannschaft in einem epischen Spiel eine englische Mannschaft. Manchmal schließt er mit einer Erklärung, die der Schilderung Gewicht verleihen soll: „Ich weiß es, denn ich war dabei.“

In formelleren Zusammenhängen, z. B. bei Gericht, wird großer Wert auf Augenzeugenberichte gelegt. Auch Reporter interviewen mit Vorliebe jemanden, der etwas selbst gesehen oder gehört hat. Historiker suchen ebenfalls Berichte aus erster Hand – daher ist die Bedeutung von Dokumenten wie den Tagebüchern von Samuel Pepys und Anne Frank von unschätzbarem Wert. Schwierig wird es allerdings, wenn es um die vorgeschichtliche Zeit (ohne schriftliche Zeugnisse) geht oder gar eine Zeit, ehe es Menschen gab: Wo ist der Bericht aus erster Hand, auf den wir zurückgreifen können? 

In dieser Lage befinden sich Naturwissenschaftler, wenn sie zu erklären suchen, wie unser Universum entstanden ist und wie seine anfänglichen Bedingungen zu dem geführt haben, was wir heute beobachten und messen können. In seinem Buch A Briefer History of Time (2005, dt. Die kürzeste Geschichte der Zeit) will der englische Physiktheoretiker Stephen Hawking u. a. den Anfangszustand unseres Universums erklären. Er und sein Koautor Leonard Mlodinow (promoviert in theoretischer Physik und Hochschullehrer am California Institute of Technology) stellen die Frage: „Was wissen wir wirklich über das Universum, und warum wissen wir es? Woher kam es, und wohin geht es? Hatte das Universum einen Anfang, und wenn ja, was geschah davor?“ 

Das sind Fragen, deren Antworten die Menschheit seit Langem sucht. Und wie die Autoren anmerken: „Auch heute sehnen wir uns immer noch danach, zu erfahren, warum wir hier sind und woher wir gekommen sind.“ 

Wie kann man aber diese Fragen ohne Quellenmaterial beantworten? Was Hawking und Mlodinow anbieten, ist Folgendes: „Heute haben wir ein starkes Instrumentarium: ein geistiges Instrumentarium – u. a. die Mathematik und die wissenschaftliche Methodik – und technische Hilfsmittel wie Computer und Teleskope. Mit ihrer Hilfe haben Wissenschaftler eine Menge Wissen über den Weltraum zusammengefügt.“ 

Stehen wir somit kurz davor, Antworten auf einige unserer drängendsten Fragen zu finden?

BLICK IN DIE VERGANGENHEIT

Wenn wir am Nachthimmel zu fernen Sternen aufblicken oder einen herrlichen Sonnenuntergang genießen, den unser lokaler Stern uns schenkt, dann schauen wir zurück durch die Zeit – wir sehen diese Himmelskörper, wie sie in der Vergangenheit waren. Licht bewegt sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit, und aufgrund der enormen Ausdehnung des Universums dauert es lange, bis das Licht ferner Himmelskörper bei uns ist. Die Sonne sehen wir, wie sie vor etwa acht Minuten war; das Licht der Sterne in der Andromeda-Galaxie ist dagegen schon rund 2,5 Millionen Jahre unterwegs, ehe es unser Auge erreicht. 

Mit Teleskopen können wir durch das Universum und somit zurück durch die Zeit schauen. Das Hubble-Weltraumteleskop hat z. B. Bilder von Galaxien in frühen Entwicklungsstadien von vor über zwölf Milliarden Jahren aufgenommen. Andere Teleskope suchen den Himmel nach Infrarot- und Mikrowellen ab, die länger sind als sichtbare Lichtwellen. Der vor Kurzem in Umlauf gebrachte Planck-Satellit soll weitere Details über die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung liefern, von denen wichtige Hinweise auf unsere Ursprünge erwartet werden. 

Trotz der heutigen Möglichkeit, gewissermaßen in die Vergangenheit zu blicken, ist es doch immer noch schwierig, sichere Schlüsse über das frühe Universum zu ziehen. Paul J. Steinhardt hat den Albert-Einstein-Lehrstuhl der Princeton University inne und leitet das Princeton Center for Theoretical Science. Zusammen mit Neil Turok, der Professor für mathematische Physik in Cambridge war und jetzt das Perimeter Institute for Theoretical Physics in Waterloo, Ontario, leitet, schrieb er Endless Universe: Beyond the Big Bang (2007). Darin beschreiben die beiden Autoren die Kosmologie als „die Forschung nach dem Ursprung und der Evolution des Universums“. Weil Wissenschaftler nicht direkt mit dem Universum experimentieren oder durch die Zeit zurückreisen können, raten die Autoren zu einem hohen Maß an Vorsicht: „Bestenfalls kann man durch akribische Beobachtung ferner Himmelskörper, die ihr Licht vor langer Zeit abgegeben haben, indirekte Informationen über die Geschichte des Universums sammeln und versuchen, sie zu einer logischen Darstellung zusammenzusetzen.“ 

Viele Naturwissenschaftler haben an Teilen des Rätsels gearbeitet, das unser Universum darstellt. Unter Einsatz ihres gesamten verfügbaren modernen Instrumentariums, aber ohne schriftlichen Augenzeugenbericht und mit naturgegeben beschränkten Möglichkeiten für Experimente haben sie versucht, Theorien, die unser Verständnis erweitern können, zu entwickeln und zu testen. 

Man kann ihre kleinen Schritte, Rückschläge und dramatischen Durchbrüche über die Jahrhunderte zurückverfolgen. Zum heutigen Wissensstand hat allerdings keine lineare Progression geführt. Vielmehr haben verschiedene Modelle von der Entstehung des Universums eine Zeit lang dominiert, dann ihre Vormacht eingebüßt und später wieder Anhänger gefunden. Häufig scheint ein wissenschaftliches Indiz in eine Richtung zu deuten, wird dann aber durch eine spätere Entdeckung widerlegt. Dieses Forschungsgebiet hat immer wieder für hitzige Diskussionen innerhalb der Wissenschaft gesorgt und tut dies bis heute. 

Von den vielen kosmologischen Modellen, die den Ursprung des Universums erklären sollten, fällt laut Steinhardt und Turok die große Mehrheit in eine von drei Kategorien: geschaffenes Universum, unveränderliches Universum und episodisches Universum. Werfen wir einen kurzen Blick auf jedes von ihnen, um zu sehen, ob es das scheinbar Unerklärbare erklären kann.

URKNALL ODER NICHT? 

Wenn wir in der relativ jungen Vergangenheit einsetzen, stellen wir fest, dass im späten 19. Jahrhundert eine Version des Modells „unveränderliches Universum“ vorherrschte. Dies lag an der wachsenden uniformistischen Bewegung, deren Ethos es war, die Geschichte des Universums durch allmähliche, gleichförmige Veränderung zu erklären. Die Datierung von Gesteinsproben hatte deutlich gemacht, dass die Erde weit älter war als bis dahin vermutet und dass somit auch das Universum unglaublich alt war – möglicherweise unendlich alt. In seinem Buch Big Bang (2004) schreibt der Wissenschaftsjournalist Simon Singh, Preisträger des British Academy Award für Film und Fernsehkunst, der in Cambridge über Teilchenphysik promoviert hat: „Ein ewiges Universum schien in der Welt der Wissenschaft Anklang zu finden. […] Wenn das Universum schon immer existiert hatte, dann brauchte man keine Erklärung, wie es geschaffen wurde, wann es geschaffen wurde, warum es geschaffen wurde oder von wem es geschaffen wurde.“ Allerdings merkt Singh auch an, dass an dieses Modell zu glauben weitgehend eine „Glaubensfrage“ war – dass es keine naturwissenschaftliche Rechtfertigung dafür gab, von einer sehr alten Erde auf ein ewiges Universum zu schließen.

Später geriet selbst Albert Einstein mit der vermeintlichen Weisheit seiner Zeit in Konflikt. Die Anwendung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie über die Gravitation ergab ein instabiles Universum, das in sich zusammenstürzen müsste. Darum führte Einstein die „kosmologische Konstante“ als mathematische Fehlerbehebung für die Allgemeine Relativitätstheorie ein – etwas, das er später bereute und zurücknahm. Singh drückt es so aus: „Es war ein Trick, zu dem Einstein griff, um das Ergebnis zu bekommen, das erwartet wurde, nämlich ein stabiles und ewiges Universum.“

Ein Naturwissenschaftler und Mathematiker, der Einsteins kosmologischer Konstante und auch seiner Vorstellung eines unveränderlichen Universums widersprach, war Alexander Friedmann. Er stellte die Theorie auf, dass das Universum am Anfang eine Expansion erlebt habe, die möglicherweise noch anhielt; deshalb könne es die Gravitationskräfte überwinden, die seinen Kollaps scheinbar unausweichlich machten.

Nach Friedmanns Tod ging der belgische Priester und Kosmologe Georges Lemaître mit Logik an den Gedanken eines expandierenden Universums heran und verfolgte ihn rückwärts durch die Zeit. Singh gibt Lemaîtres Argumentation wieder: Wenn das Universum sich heute ausdehnt, muss es gestern kleiner und vorgestern noch kleiner gewesen sein. Und immer so weiter, bis man zu Lemaîtres „Uratom“ kommt – einem superdichten Atom, das sich plötzlich ausdehnte und alle Materie im Universum hervorbrachte. Obgleich Lemaître dachte, dass das Uratom schon immer existiert haben könnte, ehe es auseinanderbrach, sah er jenes explosive Ereignis als effektiven Beginn des Universums. So wurde dem Modell eines ewigen Universums ein Modell entgegengestellt, das wieder auf einen Zeitpunkt der Entstehung hinzudeuten schien – einen Moment der Schöpfung.

Unterdessen hatte auch der Astronom Vesto Slipher am Lowell Observatory in Arizona Entdeckungen gemacht. Die Kombination aus Spektroskopen und Riesenteleskopen sowie hochempfindlichen Fotoplatten machte es möglich, Sterne mit neuen Methoden zu untersuchen. Seit einiger Zeit war bekannt, dass Lichtwellen von einer sich entfernenden Quelle in die Länge gezogen und zum roten Ende des Spektrums verschoben werden. Bei seiner Analyse des Lichts, das einige Galaxien abstrahlen, entdeckte Slipher, dass die meisten von ihnen diese Rotverschiebung zeigten; daraus ließ sich schließen, dass sie sich von der Erde entfernten – und dies, wenn seine Berechnungen stimmten, mit großer Geschwindigkeit. 

Später bestätigten und erklärten Edwin Hubble und seine Kollegen diesen Effekt mithilfe des 2,54-Meter-Teleskops von Mount Wilson in Kalifornien. Sie entdeckten eine Beziehung zwischen der Geschwindigkeit einer Galaxie und ihrer Distanz von der Erde, und die Gleichung, die dies beschreibt, wurde als Hubble-Gesetz bekannt. Es wurden Beobachtungen notiert, die darauf hindeuteten, dass das Universum durchaus nicht statisch und unveränderlich, sondern weitgehend mit Galaxien bevölkert ist, die anscheinend in einem geordneten Expansionsmuster von uns fort rasen. So lieferte Hubble den ersten wichtigen Beweis für Friedmanns und Lemaîtres Modell der kosmologischen Schöpfung. Singh bemerkt: „Dies bedeutete nichts Geringeres als die Erkenntnis, dass irgendwann einmal alle Galaxien im Universum in derselben kleinen Region zusammengeballt waren. Es war die erste Beobachtung, die auf das hinwies, was wir heute den Urknall nennen. Es war das erste Anzeichen dafür, dass es einen Moment der Schöpfung gegeben haben könnte.“

Nicht allen gefiel die Vorstellung, das Universum habe mit einer Explosion begonnen, oder es habe einen Moment der Schöpfung gegeben. Einer ihrer lautstärksten Gegner war der britische Astronom Fred Hoyle. Zusammen mit seinen Kollegen Thomas Gold und Hermann Bondi arbeitete er an einem Modell, das die Theorie eines schon ewig existierenden Universums mit der von Hubble beobachteten Ausdehnung in Einklang bringen sollte. Schließlich brachte Gold die Idee vor, das Universum sei in ständiger Entwicklung, aber in seiner Gesamtheit unveränderlich. Diesem Modell, das als Steady-State-Modell (Modell vom gleichförmigen Zustand) bekannt wurde, lag die Annahme zugrunde, dass die Lücken, die durch die Ausdehnung entstanden, durch neu geschaffene Materie gefüllt würden. Singh stellt fest: „Ein solches Universum würde sich scheinbar entwickeln und ausdehnen, doch es wäre weitgehend unveränderlich, konstant und ewig.“ Mit Publikationen und anderen Mitteln bemühten sich die drei Kollegen dann um die Durchsetzung ihres Modells gegen die Theorie vom Anfang des Universums in Form einer Explosion, auch als „dynamisches Entwicklungsmodell“ bezeichnet. Tatsächlich war es Hoyle, der den Ausdruck „big bang“ (großer Knall/Urknall) prägte; er verwendete ihn zum Spott in einem Radiovortrag für die BBC. Der Name blieb haften. 

Eine Zeit lang gab es erbitterte Auseinandersetzungen über die beiden rivalisierenden Theorien; dann kamen sie aufgrund fehlender wissenschaftlicher Belege für die eine oder gegen die andere für eine Weile zum Stillstand. Im Lauf der Zeit lieferten Wissenschaftler mit neuen Methoden und Geräten Beobachtungsdaten, die dazu beitrugen, jede der beiden Positionen zu klären.

HINTER DEM URKNALL

Im späteren 20. Jahrhundert wurde das Urknallmodell allmählich allgemein anerkannt. Grob gesprochen sieht die aktuelle Auffassung dieses Ereignis nicht so sehr als eine Explosion in Zeit und Raum als vielmehr eine Explosion von Zeit und Raum. Viele glauben, dass an diesem Punkt beides begann. Von einem unendlich verdichteten Punkt aus expandierten Zeit und Raum, und dabei sank die Temperatur von unfassbar heiß auf vergleichsweise kühl. Aus dem Meer von Protonen, Neutronen und Elektronen bildeten sich allmählich Atome und Kerne, hauptsächlich Wasserstoff und Helium, die später zu Sternen und Galaxien kondensierten. Durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen und später die Bedingungen im Inneren sterbender Sterne entstanden schwerere Elemente wie Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, die für das Leben hier auf der Erde eine notwendige Voraussetzung bildeten. All dies soll vor etwa 13,7 Milliarden Jahren aus einem einzigen Punkt hervorgegangen sein. Natürlich erhebt sich da die Frage: Was kam vor dem Urknall? (Nähere Betrachtungen lesen Sie hierüber unter „Hinter dem Urknall“).

In den 1960er-Jahren wurden mehrere neue Phänomene entdeckt. […] Diese Entdeckungen läuteten das Ende der Steady-State-Kosmologie ein. Sie bereiteten den Boden für eine verbreitete, wenn auch nie lückenlose Akzeptanz der Urknall-Kosmologie.“ 

Owen Gingerich, „Scientific Cosmology Meets Western Theology: A Historical Perspective,“ in Annals of the New York Academy of Sciences (Dezember 2001)

Das Urknallmodell wurde immer wieder modifiziert und ergänzt, um Begriffe wie „kosmologische Inflation“, „Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“ zu integrieren. All diese Dinge sind nuanciert, doch Inflation („Aufblähung“) ist im Wesentlichen die extrem rasche Expansion des Universums unmittelbar nach dem Urknall. Sie soll die Dichtefluktuationen im jungen Universum erklären, insbesondere die Regionen höherer Dichte, aus denen die Galaxien entstanden; auch soll sie erklären, warum der Raum nicht gekrümmt, sondern flach zu sein scheint. Dunkle Materie – ein Gegenstand vieler Theorien, aber bislang unentdeckt – wird als Ursache dafür postuliert, dass Sterne an den Rändern von Galaxien in ihren Umlaufbahnen gehalten werden, obgleich die kombinierte Anziehungskraft der zentraleren Sterne hierfür nicht ausreicht. Die ebenso unentdeckte Dunkle Energie wurde aufgrund ihrer „abstoßenden Gravitation“ als die Kraft angenommen, die noch immer bewirkt, dass sich das Universum ausdehnt, und dies anscheinend immer schneller. Hierzu meint Singh: „Mit einer kurzen Periode heftiger Inflation, eigenartiger Dunkler Materie und sonderbarer Dunkler Energie ist das neue Urknall-Universum des 21. Jahrhunderts ein wahrhaft befremdlicher Ort.“

Manche sehen die aktuelle Inkarnation des Urknallmodells als ein ziemlich zusammengeschustertes Konstrukt. In ihrer Bewertung des inflationären Urknallmodells erheben Steinhardt und Turok Einwände gegen dessen Grundeigenschaften, die sie als bizarr bezeichnen. Ein Beispiel: „Aus mysteriösen und nicht erklärten Gründen kommt das Universum aus dem Nichts in einen superdichten Zustand.“

Sie schlagen ein Modell vor, das man als episodisch oder zyklisch klassifizieren kann: Das ekpyrotische Universum (von altgr. „aus dem Feuer“) – in einer Art „Weltenbrand“ endet ein Universum und entsteht ein neues. Im Wesentlichen besagt ihr Modell, dass der Urknall nicht der Anfang von Zeit und Raum ist, sondern Bestandteil eines Zyklus, der sich wiederholt – ein Urknall bringt heiße Materie und Strahlung hervor, beides dehnt sich aus, kühlt ab und bildet Galaxien. Nach einer immer rascheren Ausdehnung von Materie und Strahlung führt der Verfall der Dunklen Energie zu einer Verlangsamung und schließlich zum Stillstand der Expansion. Danach zieht sich das Universum allmählich zusammen, bis es wieder zu einer Singularität zusammenfällt – der „big crunch“ (großer Kollaps). Dann wird ein Teil der Dunklen Energie plötzlich in Materie und Strahlung umgewandelt, und das Universum beginnt wieder zu expandieren. Wie die Autoren formulieren: „Aus dem Kollaps ist ein Knall geworden.“

Die Erklärung hierfür entstammt einer besonderen, verallgemeinerten Version der Stringtheorie, der komplexen und hoch mathematischen M-Theorie. Sie führte zu der Vorstellung, dass unser dreidimensionales Universum durch eine winzige Lücke – vielleicht nicht größer als 10-30 Zentimeter – entlang einer vierten Raumdimension von einem Paralleluniversum getrennt ist, das wir nicht wahrnehmen. Dieser Theorie zufolge bewirkt die Kollision dieser „Welten“ (oder Membranen oder Branwelten) im Lauf der Jahrbillionen einen Urknall nach dem anderen. 

Gibt das ekpyrotische Modell die Antwort auf das Mysterium unseres Universums? In Steinhardts und Turoks eigenen Worten: „Viele Stringtheoretiker sind weiterhin skeptisch, ob der Kollaps zu einem Knall werden kann, und daher ist ihnen das ganze zyklische Konzept nicht geheuer. Die Frage lässt sich nicht anders lösen als durch detaillierte Berechnungen. […] Heute arbeiten viele Theoretiker in aller Welt mit Hochdruck an diesem Problem.“ 

DIE RICHTIGE PERSPEKTIVE

Wissenschaftler haben die vortehend skizzierten Modelle anhand der bekannten Gesetze der Physik, der beobachtbaren und messbaren Eigenschaften des Universums sowie mathematischer Prüfungen untersucht. Unsere Reaktion auf aktuelle Theorien über die Anfänge des Universums könnte durchaus offenbaren, wie wir den Entwicklungsstand der Menschheit empfinden. Steinhardt und Turok zählen zu denen, die glauben, dass wir auf der Schwelle eines großen Durchbruchs stehen: „Die nächsten ein, zwei Jahrzehnte dürften von historischer Tragweite sein, da sie darüber entscheiden, welche Art Theorie und welches spezifische Modell das Universum, in dem wir leben, am besten erklärt. […] Wir sind optimistisch, dass durch die kollektiven Anstrengungen von Experimentatoren, Beobachtern und Theoretikern der entscheidende Durchbruch gelingen wird, der die Frage endgültig beantwortet.“ 

Könnte es sein, dass wir tatsächlich dabei sind, den Gipfel menschlichen Wissens zu erreichen – dass die Instrumentarien, die uns heute zur Verfügung stehen, nun die letzten Geheimnisse des Kosmos offenbaren werden? Die Suche nach einer großen, einer einheitlichen Theorie – manche Wissenschaftler nennen sie „die Theorie für alles“ – ist in vollem Gange. Diese Theorie soll die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenmechanik miteinander versöhnen oder sogar ersetzen und eine vollständige Erklärung des Universums liefern. 

Für Hawking und Mlodinow, die sich den Bemerkungen von Einstein anschließen, kann dies eine noch erstaunlichere Möglichkeit eröffnen: „Wenn wir tatsächlich eine vollständige Theorie entdecken, […] werden wir uns an der Erörterung der Frage beteiligen können, warum wir und das Universum existieren. Wenn wir das beantworten könnten, wäre es der ultimative Triumph des menschlichen Verstandes – denn dann wüssten wir, wie Gott denkt.“ Dies ist natürlich die ewige Hoffnung der Wissenschaft, auch wenn die meisten Wissenschaftler es wohl anders formuliert hätten. 

Ihre Methode des Suchens – die wissenschaftliche Methode – beinhaltet die Konstruktion von Theorien, die dann analysiert und getestet werden. Im Lauf der Zeit werden diese Theorien entweder weiter ausgebaut, wenn neue Forschungstechniken größere Klarheit bringen, oder verworfen und durch ein anderes Paradigma abgelöst.

Wir alle können bestätigen, dass [kosmologische Forschung] hoch ambitioniert ist. Die Behauptung, die viele Verfechter der Urknall-Kosmologie aufstellen, man habe die korrekte Theorie erreicht, grenzt für mein Empfinden an Arroganz.“

Fred Hoyle, Home Is Where the Wind Blows: Chapters From a Cosmologist's Life (1994)

Eine alternative, oft abgetane Quelle für Erkenntnisse darüber, „wie Gott denkt“, kann die naturwissenschaftliche Herangehensweise ergänzen oder infrage stellen – die Bibel. Dieses Buch soll nicht die Kosmologie naturwissenschaftlich erklären, doch es bietet Antworten auf die großen Fragen, über die viele Menschen nachdenken. Und auch über Ursprünge hat die Bibel viel zu sagen. 

Die meisten denken natürlich zuerst an das Buch Genesis, das in knappen, aber nicht wissenschaftlichen Begriffen vom Beginn der Welt spricht. Weniger bekannt, aber ebenso aufschlussreich ist die Geschichte des Hiob. So, wie er uns vorgestellt wird, war Hiob eindeutig ein intelligenter und reifer Mensch. Er hatte nur einen Fehler, der alles überschattete: Er sah Gott nicht aus der richtigen Perspektive. Um Hiob diese Perspektive in für ihn verständlichen Begriffen aufzuzeigen, stellte Gott ihm einige pointierte Fragen: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sage mir’s, wenn du so klug bist! Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat? Worauf sind ihre Pfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt? […] Hast du zu deiner Zeit dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt?“ (Hiob 38, 4-6, 12).

Wie endet die Geschichte? Hiob kam zur Einsicht und begann Gott in gebührender Weise zu ehren: als den allerhöchsten, allweisen Schöpfer und Erhalter all dessen, was wir um uns herum sehen. 

Und wir anderen? Die faszinierenden und komplexen Erkenntnisse, die uns die Wissenschaft als mögliche Erklärungen für den Ursprung unseres Universums gegeben hat, sind abwechselnd unglaublich und verwirrend. Da der technische Fortschritt rasch vorangeht und das verfügbare Instrumentarium der Naturwissenschaften wie auch der Mathematik immer mehr Einzelheiten erkennbar macht, werden wir in den kommenden Jahren sicher über neue Szenarien nachzudenken haben. Doch wird Wissenschaft jemals unsere bedeutungsvollsten Fragen beantworten können? 

Richtiger scheint der Schluss, dass wir die Antworten darauf finden werden, wenn wir zuerst danach streben, zu wissen, wie Gott denkt – nicht anders herum, wie Hawking und Mlodinow. Bei unserer Suche nach Antworten sollten wir daher vielleicht eine alternative Herangehensweise an die großen Fragen nach den Ursprüngen in Betracht ziehen: jemanden zu fragen, der es weiß, weil er dabei war.