Nikolaus Kopernikus – die Sonne anhalten, um die Erde zu bewegen
Seine Theorien revolutionierten die Art und Weise, wie wir Wissenschaft nützen, und öffneten das Tor, das später große Astronomen wie Tycho Brahe, Johannes Kepler und Galileo Galilei weit aufstießen.
Nikolaus Kopernikus, der als Vater der modernen Astronomie angesehen wird, wurde im Februar 1473 in Torun, Polen, als Mikolaj Kopernik geboren. Da sein Vater, ein angesehener Händler, starb, als der Junge erst zehn Jahre alt war, übernahm ein Onkel die Verantwortung für seine Erziehung. Kopernikus immatrikulierte deshalb mit 18 Jahren an der Universität von Krakau. Er studierte Mathematik unter dem bekannten Professor Albert Brudzewski, der ihn das Ptolomäische Weltsystem in Bezug auf die Struktur des Sonnensystems lehrte. Kopernikus fühlte sich angespornt, weitere Forschungen zu betreiben.
Die zu jener Zeit in Europa anerkannte Kosmologie [Wissenschaft vom Weltall] war im zweiten Jahrhundert von dem ägyptischen Astromomen und Geographen Claudius Ptolemaios formuliert worden. Dieses Modell sieht die Erde als Zentrum, um das Sonne, Mond und Sterne kreisen. Ptolomaios hatte den Bewegungsablauf der Planeten so beschrieben, als seien sie Edelsteine, eingebettet in Schalen, die sich in unterschiedlicher Distanz über der Erde bewegten. Er erklärte Beobachtungen, die dagegen standen, indem er verborgene Zahnräder implizierte, die Kreise innerhalb von Kreisen beschrieben.
Diese fehlerhafte Erklärung kam durch seltsame Umstände zustande. Ungefähr drei Jahrhunderte vor Christus hatte der griechische Astronom und Mathematiker Aristarchus von Samos einen heroischen Versuch gewagt, die Masse und Distanz von Erde und Mond abzuschätzen. Dies führte zu seiner Schlussfolgerung, dass die viel kleinere Erde um die Sonne kreisen müsse, gerade wie der Mond um die Erde kreist. Seine Arbeit wurde allgemein anerkannt, aber der Einfluss des griechischen Philosophen Aristoteles, der an den „Hausverstand“ appellierte, wonach Wahrheit selbstverständlich sein müsse, führte dazu, dass die Theorien des Aristarchus als Müll betrachtet und verworfen wurden. Für Aristoteles war nichts selbstverständlicher, als dass sich die Erde nicht bewegt.
Thomas von Aquin (1225-1274), der große Philosoph der römisch-katholischen Kirche, versöhnte die Theologie seiner Kirche mit dem Aristotelismus einschließlich dem Ptolomäischen Modell des Sonnensystems. Als die römische Kirche zu Macht und Einfluss kam, war das aristarchische Modell weitgehend in Vergessenheit geraten und das ptolomäische Modell genoss absolute Gültigkeit.
Dies war die anerkannte Sicht der Astronomie zu Kopernikus' Zeiten. Inspiriert von Brudzewski, aber doch von seiner Lehrmeinung über diese Dinge verunsichert, schrieb sich Kopernikus in der Universität von Bologna auch für weitere Studien in Astronomie ein, während er eine Promotion in kanonischem Recht (Kirchenrecht) anstrebte. Um seine finanzielle Basis für die weitere Ausbildung sicherzustellen, verlieh sein Onkel, nun Bischof von Warmia, dem jungen Kopernikus den Titel des Domherrn von Frombork.
In Bologna lernte er bei dem renommierten Astronomen Dominico Maria de Novarro und ging dann im Frühjahr 1500 nach Rom, wo er bemerkenswerte Anerkennung für einen Kurs in Mathematik erhielt, den er entwickelt und gelehrt hatte.
Im folgenden Jahr, während er immer noch die Rechte studierte, entschied er sich dafür, auch ein medizinisches Studium an der Universität von Padua zu absolvieren, wo er dann 1503 beides, ein Doktorat in Kirchenrecht und eine Berechtigung, als Arzt zu praktizieren, erhielt.
Ausgestattet mit vielen akademischen Ehren kehrte er nach Hause zurück und arbeitete für seinen Onkel, den Bischof, als Assistent und persönlicher Arzt, bis dieser 1512 verstarb. In der Zwischenzeit hatte er im Verborgenen astronomische Beobachtungen gemacht, die das Ptolomäische System in Frage stellten.
Als Kopernikus die verschmähten Arbeiten des Aristarchus untersuchte, die sogenannte heliozentrische bzw. sonnenzentrierte Theorie, fand er heraus, dass Ptolomaios' Erklärungsversuch mittels unsichtbarer Zahnräder nicht mehr nötig war. 1513 verfasste der angehende Astronom eine kurze, handgeschriebene Monographie [Abhandlung über einen einzelnen Gegenstand], die Aristarchus' Theorie als eine gültige Erklärung wieder aufleben ließ. Er verbreitete dies unter Freunden auf dem Gebiet der Mathematik und Astronomie, die diese Idee wärmstens aufnahmen.
Im Jahre 1514 wurde Kopernikus vom päpstlichen Rat nach Rom eingeladen, um dort die Kirchengremien in Sachen Kalenderreform zu beraten. In den folgenden Jahren lieferte er verschiedene Berechnungen, die dazu beitrugen, dass der Gregorianische Kalender nahezu 40 Jahre nach dessen Tod angenommen wurde. Er nahm jede Gelegenheit wahr, um sein Verständnis des Universums durch Beobachtungen und Berechnungen zu vertiefen; und dies alles während er hauptamtlich den verschiedensten kirchlichen Verpflichtungen nachkam.
Die gesammelten Informationen wurde zur Basis seines größten Werkes, De Revolutionibus orbium coelestium (Über die Revolution der himmlischen Sphären). 1533, als er 60 Jahre alt war, präsentierte Kopernikus seine Theorie in einer Reihe von Vorträgen in Rom. Sogar Papst Klement VII. war beeindruckt und verschiedene Freunde und Kirchenführer drängten Kopernikus, das Werk intensiver zu veröffentlichen.
Er zögerte jedoch und wollte seine Berechnungen noch mehrfach auf ihre Richtigkeit hin prüfen. Schließlich ermutigte ihn sein Schüler George Joachim Rheticus, das Werk in eine Form zu bringen, die für den Druck geeignet war.
Rheticus erfuhr in seinen Bemühungen, Kopernikus' Werk zu veröffentlichen, von niemand Geringerem Widerstand als von Martin Luther, der Kopernikus als einen „astrologischen Emporkömmling“ beschrieb, einen „Narren, der die gesamte Wissenschaft der Astronomie umzukehren versuche“.
Rheticus suchte danach in Leipzig die Unterstützung des lutheranischen Theologen und Amateurwissenschaftlers Andreas Osiander. Mit seiner Hilfe wurde Kopernikus' großes Werk im Jahre 1543 veröffentlicht. Es heißt, dass Kopernikus eine Kopie davon an seinem Sterbebett überreicht wurde.
Osiander hatte jedoch unerwarteterweise seine Beteiligung an diesem Projekt insofern abgesichert, dass er (in eigener Regie) ein Vorwort hinzugefügt hatte, worin er festgestellt, dass der Heliozentrismus [die Sonne als Zentrum] nur eine passende mathematische Hypothese darstelle, um die planetarischen Berechnungen zu vereinfachen. Offenbar war Osiander selbst nicht absolut überzeugt, dass das Ptolomäische Modell falsch sein könne, vielleicht hat er aber auch nur Repressalien für seine Beteiligung an dieser „Revolution“ befürchtet und deshalb versucht, die ganze Tragweite dieser neuen Theorie durch dieses Vorwort abzuschwächen.
Ungeachtet des nicht autorisierten Vorwortes macht das Buch absolut klar, dass Kopernikus leidenschaftlich daran glaubte, dass die Sonne das Zentrum unseres Systems ist. Vielleicht gerade wegen dieses Vorwortes wurde das Buch nicht auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt, den die römisch-katholische Kirche herausgab; und zwar bis zur Zeit Galileos, als das Thema Heliozentrismus zu einem Höhepunkt gelangte.
Der verstorbene Wissenschaftsjournalist Issac Asimov stellte fest, dass „die Revolution [in der Astronomie], die von Kopernikus initiiert worden war, nicht nur eine Veränderung von allgemein gültigen Grundsätzen gewesen war, sondern im weiteren Verlauf eine vollständig neue Betrachtungsweise der Natur mit sich brachte.“
„Die von Kopernikus initiierte Revolution war nicht nur eine Veränderung von allgemein gültigen Grundsätzen gewesen, sondern brachte im weiteren Verlauf eine vollständig neue Betrachtungsweise der Natur mit sich.“
Kopernikus wollte die astronomische Wissenschaft korrigieren, auch auf die Gefahr hin, dass er damit den Zorn der mächtigsten intellektuellen Eliten auf sich zog. Er erkannte die Macht der Wahrheit und wies den Glauben an „das Selbstverständliche“ von sich, der von allen jenen angenommen worden war, die nicht bereit waren, sich mit dem Thema wirklich auseinander zu setzen.
Vielleicht ist die Lektion, die wir von Kopernikus lernen können, die, dass es besser ist, mutig für die Wahrheit einzutreten, als es sich mit dem Falschen bequem zu machen.