Undurchsichtige Medien

Damned Lies and Statistics: Untangling Numbers from the Media, Politicians, and Activists

Joel Best. 2001. Berkeley: University of California Press.

It Ain’t Necessarily So: How Media Make and Unmake the Scientific Picture of Reality

David Murray, Joel Schwartz, and S. Robert Lichter. 2001. Lanham, Maryland: Rowman & Littlefield Publishers, Inc.

Bias: A CBS Insider Exposes How the Media Distort the News

Bernard Goldberg. 2002. Washington, D.C.: Regnery Publishing, Inc.

Haben Sie je etwas persönlich miterlebt, über das später in den Nachrichten berichtet wurde? Wenn ja, waren Sie vielleicht bestürzt über die Unterschiede zwischen dem, was Sie erlebt haben, und dem, was berichtet wurde. Der Reporter mag versucht haben, wahrheitsgetreu zu berichten, konnte aber aufgrund des Zeitdrucks die Tatsachen nicht überprüfen. Oder der Bericht war erkennbar voreingenommen.

Wer schon mal aus erster Hand falsche Berichterstattung erlebt hat, wird sich künftig eher hüten, irgendeinen Bericht für bare Münze zu nehmen. Trotzdem sind wir meistens darauf angewiesen, dass andere uns informieren, wenn wir über wichtige Ereignisse und Entwicklungen Bescheid wissen wollen. Wenn immer wir Nachrichten und/oder Berichte zur Kenntnis nehmen, sollten wir uns deshalb der verschiedenen Möglichkeiten bewusst sein, wie uns dadurch – absichtlich oder unabsichtlich – ungenaue, verzerrte oder sogar falsche Darstellungen vermittelt werden können.

In dieser Buchbesprechung behandeln wir drei Bücher, die verschiedene Aspekte dieses Problems behandeln. Mancher Leser mag zwar einige Argumente der Autoren anfechten, doch dies ist nicht Gegenstand dieser Abhandlung. Wir stellen einfach einige zentrale Gedanken der Autoren vor – nicht als das letzte Wort zu diesem Thema, sondern als etwas, das sich zu bedenken lohnt, wenn uns die Nachrichten des Tages präsentiert werden.

STOLPERN ÜBER STATISTIKEN

Joel Best (Damned Lies and Statistics) zeigt eine Vielzahl potenzieller Probleme auf, mit denen die Produktion statistischer Daten einhergeht. Seine Absicht ist es, Nachrichtenkonsumenten zu helfen, solche Information besser beurteilen zu können.

Best erklärt: „Im 19. Jahrhundert … wurden Statistiken – numerische Aussagen über das Leben der Gesellschaft – zu einer maßgebenden Methode zur Beschreibung sozialer Probleme. Das Ansehen der Wissenschaft stieg, und die Statistik bot eine Möglichkeit, die Autorität der Wissenschaft in die gesellschaftspolitische Diskussion einzubringen.“ Dennoch habe die Statistik von Anfang an „zwei Zwecken gedient – einem bekannt gegebenen und einem oft verborgenen. Ihr bekannter Zweck ist die richtige und wahrheitsgemäße Darstellung der Gesellschaft. Doch Statistik wird auch benutzt, um ganz bestimmte Ansichten über gesellschaftliche Probleme zu untermauern. Zahlen werden produziert und zitiert, weil sie Munition für politische Auseinandersetzungen liefern. … Es ist naiv, Zahlen einfach als richtig zu akzeptieren, ohne zu prüfen, wer sie benutzt, und warum.“

Leider „neigt die Öffentlichkeit dazu, … Statistiken als Tatsachen hinzunehmen“, obwohl die Realität oft etwas anderes ist. Best bemerkt: „Fakten kann man immer anzweifeln, aber sie halten dem Zweifel stand. … Obwohl wir Sozialstatistiken manchmal als eindeutige, harte Fakten akzeptieren, sollten wir hinterfragen, wie diese Zahlen produziert werden.“ Dann gibt er einige Tipps, wie der Leser die Gültigkeit von Sozialstatistiken erkennen kann.

Obwohl wir Sozialstatistiken manchmal als eindeutige, harte Fakten akzeptieren, sollten wir hinterfragen, wie diese Zahlen produziert werden.“

Joel Best, Damned Lies and Statistics: Untangling Numbers from the Media, Politicians, and Activists

FÜNF WARNUNGEN

Für ein neues oder bislang nicht erkanntes Problem, schreibt Best, stehen höchstwahrscheinlich keine Daten zur Verfügung. In solchen Fällen kann eine Statistik schlichtweg geschätzt sein und sich auf keinerlei objektive Tatsachen stützen. Außerdem gibt es bei sozialen Problemen wie in der Kriminalität „Dunkelziffern“, die Anzahl der Fälle, die nicht zur Anzeige kommen. Die Ermittlung von Dunkelziffern kann ebenfalls zum Ratespiel werden. Wenn eine solche Zahl nicht klar als Schätzung bezeichnet wird, kann sie trügerisch sein, und selbst wenn sie so bezeichnet wird, kann ihr Status leicht von der Schätzung zur Tatsache avancieren, wenn sie in Umlauf gebracht, akzeptiert und dann von anderen zitiert wird.

Um den Wert einer Statistik erkennen zu können, muss der Leser auch wissen, auf welcher Definition sie beruht. Je weiter die Definition gefasst ist, umso mehr Einzelfälle erfassen ihre Parameter. Best kommentiert: „Aktivisten verbinden oft große Statistiken, die auf breit gefassten Definitionen beruhen, mit erschütternden Beispielen der schwersten Fälle. Bei Aussagen über Kindesmisshandlung wird zum Beispiel ein Kindesmord als typischer Fall dargestellt, dazu aber eine statistische Schätzzahl gegeben, die Millionen weniger schwerer Fälle von Misshandlung und Verwahrlosung umfassen.“

Eine beliebte Quelle für Statistiken sind Umfragen, die oft durchgeführt werden, um die Meinungen oder Erfahrungen der Öffentlichkeit zu ermitteln. Doch um die Umfrageergebnisse zu verstehen, muss der Leser wissen, wie die Fragen formuliert waren, in welcher Reihenfolge sie gestellt wurden und wie die Antworten ausgewertet wurden. Wie Best anmerkt, berichten „die Medien von Statistiken ,Forschungsergebnissen zufolge …‘, ohne zu erklären, wie das soziale Problem in dieser Studie erfasst wurde.“ Als Beispiel nennt er eine Erhebung, die zu dem Ergebnis kam, dass ein Viertel aller Studentinnen schon einmal vergewaltigt worden sei, obwohl in Wahrheit „fast drei Viertel der Befragten, die als Vergewaltigungsopfer identifiziert wurden, [an anderer Stelle in der Studie] sagten, sie sähen den Vorfall nicht als Vergewaltigung“.

Noch komplizierter wird es dadurch, dass die meisten Statistiken auf einer Stichprobenerhebung beruhen, weil es oft unpraktisch oder undurchführbar ist, jeden Einzelfall zu erfassen. Diese Methode hat zwei potenzielle Fehlerquellen: den Umfang der Auswahl und inwieweit sie wirklich repräsentativ für die Gesamtheit der Bevölkerung ist. Wie der Autor anführt, ist „die Auswahl einer repräsentativen Stichprobenerhebung eine der größten Herausforderungen in der Sozialwissenschaft. … Nur wenige Stichprobenerhebungen sind zufällig.“

Darüber hinaus nennt der Autor zwei weitere Probleme, mit denen Stichprobenverfahren oft einhergehen. Eines sei die Verwendung extremer Beispiele, als wären sie typisch für das Problem als Ganzes. Ein ermordeter Ausreißer sei z. B. nicht repräsentativ für das umfassendere Problem von Teenagern, die von zu Hause fortlaufen. Auf diese Weise werde eine Gefahr, die nur eine kleine Minderheit betreffe, auf die gesamte Bevölkerung übertragen. „Soziale Probleme haben im Allgemeinen eine Grundlage; es ist nicht vollkommen zufällig, dass jemand von zu Hause fortläuft – oder kriminell, obdachlos oder mit HIV infiziert wird. Doch Leute, die auf soziale Probleme aufmerksam machen wollen, finden es oft vorteilhaft, diese Grundlagen zu vernebeln und zu implizieren, von diesen Risiken seien alle betroffen, und deshalb hätten wir alle das gleiche, substantielle Interesse an der Lösung dieses sozialen Problems.“

Als weiteres Problem identifiziert Best mutierte Statistiken – verzerrte Versionen der ursprünglichen Zahlen. Selbst richtige Zahlen kann man falsch verstehen und falsch auslegen.

Selbst richtige Zahlen kann man falsch verstehen und falsch auslegen.

Die laut Best „schlimmste, d.h. unrichtigste Sozialstatistik aller Zeiten“ stand in einer Dissertation. Der Doktorand zitierte eine Ausgabe einer Zeitschrift für Sozialwissenschaft von 1995 und schrieb: „Seit 1950 hat sich die Zahl amerikanischer Kinder, die erschossen wurden, mit jedem Jahr verdoppelt.“ Eine schnelle Berechnung offenbart die logische Unmöglichkeit dieser Behauptung, denn wenn im Jahr 1950 nur ein Kind erschossen wurde und diese Zahl sich von 1950 bis 1995 jährlich verdoppelt hat, wären im Jahr 1995 über 35 Billionen Kinder erschossen worden.

Diese falsche Statistik beruhte auf einer Erklärung des Children’s Defense Fund von 1994, die lautete, die Zahl amerikanischer Kinder, die jährlich mit Handfeuerwaffen getötet wurden, habe sich seit 1950 verdoppelt. Natürlich zeigte das Zitat des Doktoranden die Mutation der ursprünglichen Aussage, von einer einfachen Verdopplung innerhalb von 44 Jahren zu einer unmöglichen alljährlichen Verdopplung.

Ein weiterer Aspekt dieses Problems kommt zum Tragen, wenn schlechte Statistiken verwendet werden, um weitere unrichtige Zahlen zu produzieren. Als Beispiel nennt Best Alfred Kinseys unzulängliche Erfassungsmethoden, die ihn zu der Einschätzung führten, zehn Prozent aller Männer seien homosexuell. Obwohl dieser Schätzwert drei- bis zehnmal höher ist als die Ergebnisse zahlreicher anderer Erhebungen, wird er weiterhin zitiert. Best schreibt: „Aktivisten fechten diese niedrigeren Schätzwerte oft an; ihnen ist ,jeder Zehnte‘ lieber, weil diese Zahl nahe legt, dass Homosexuelle eine ziemlich bedeutende Minderheit sind. … So lebt die Zahl ,zehn Prozent‘ weiter, und sie wird oft der Berechnung weiterer, neuer Statistiken über Schwule und Lesben zugrunde gelegt“, zum Beispiel Schätzungen des Anteils der Homosexuellen unter jugendlichen Selbstmördern, der Zahl der homosexuellen Wähler und der Größe der homosexuellen AIDS-Risikogruppen.

Best empfiehlt, Statistiken mit Vorsicht zu genießen, nicht negativ oder ablehnend, aber mit Bedacht und analytisch an sie heranzugehen. Das ist kein leichter Weg, denn es ist nicht damit getan, eine Checkliste statistischer Fehler zu erstellen, an die man sich halten kann. „Es ist wahrscheinlich unmöglich, eine vollständige Liste statistischer Fehler zu erstellen – wie lang die Liste auch ist, es wird weitere mögliche Probleme geben, die Statistiken verfälschen könnten. Das Ziel ist nicht, sich eine Liste einzuprägen, sondern eine aufmerksame Herangehensweise zu entwickeln, … die Zahlen zu hinterfragen.“

HINTER DEN SCHLAGZEILEN

Sich aus den Medienberichten ein klares Bild von wissenschaftlichen Forschungen und Entwicklungen zu machen ist weit komplizierter, als nur das Potenzial für den fehlerhaften Gebrauch und den Missbrauch von Statistiken zu verstehen. Wie David Murray, Joel Schwartz und S. Robert Lichter (It Ain’t Necessarily So) aufzeigen, haben diejenigen, die Nachrichten vermitteln, unweigerlich Einfluss darauf, was berichtet wird.

Die Nachricht hat sicher einen Bezug zur Wahrheit“, schreiben sie, „aber sie ist nie einfach das Gleiche. … Was wissenschaftlich wahr ist, ist oft komplex und mit Einschränkungen behaftet. Folglich ist wissenschaftliche Forschung nicht unbedingt ,der Stoff, aus dem die Nachrichten sind‘ – sie weckt nicht unbedingt öffentliches Interesse. … Der Weg vom Institut zur Schlagzeile durchläuft einen regelrechten Bewertungs- und Entscheidungsprozess, der oft sehr undurchsichtig ist.“ Dies führt sie zu der Frage: „Wie korrekt ist die Vermittlung der Informationen, und wie viel Vertrauen dürfen wir in ihre Schlussfolgerungen setzen?“

Als einer der ersten Faktoren kommt die Entscheidung ins Spiel, worüber berichtet wird und worüber nicht. Laut Amanda Bennett, der Leiterin der Wall Street Journal-Redaktion in Atlanta, neigt man dazu, vorwiegend Storys zu veröffentlichen, die einer vorherrschenden „Schablone“ entsprechen – wobei die Schablone das ist, „was nach dem Beschluss der Redakteure und anderer Leute, die nicht vor Ort sind, ,Die Story‘ ist.“ Dieses Vorgehen birgt nach Ansicht der Autoren die Tendenz in sich, Erkenntnisse zu eliminieren, die im Widerspruch zur jeweils anerkannten Schablone stehen. Die Folge kann eine einseitige Betrachtung von Themen sein. Mindern kann man das Problem, indem man auf eine breite Palette von Quellen zurückgreift.

Die Antworten, die den Meinungsforschern gegeben werden (und die die Zeitungen wiedergeben) hängen weitgehend davon ab, welche Fragen wie gestellt werden.“

David Murray, Joel Schwartz und S. Robert Lichter, It Ain't Necessarily So: How Media Make and Unmake the Scientific Picture of Reality

Ähnlich wie Best raten Murray, Schwartz und Lichter zur Vorsicht im Umgang mit Umfragen. Sie betonen die Notwendigkeit, die Ergebnisse von Meinungsumfragen zu analysieren, denn „die Antworten, die den Meinungsforschern gegeben werden (und die die Zeitungen wiedergeben), hängen weitgehend davon ab, welche Fragen wie gestellt werden. … Zeitungen haben ein Interesse daran, uns die Antworten mitzuteilen, die Ergebnisse von Meinungsumfragen …und die daraus gezogenen Schlüsse. Doch die Antworten werden manchmal gesteuert (und immer beeinflusst) von den Fragen – davon, wie die Interviewer die Fragen formulieren, in welcher Reihenfolge sie sie stellen und in manchen Fällen sogar auf welchem Weg sie sie stellen (persönlich oder telefonisch). Aus diesem Grund sind die Antworten selten sehr aussagefähig, außer wenn man auch die Fragen kennt, mit denen sie eingeholt wurden.“

Auch sollte man sich nicht auf Meinungsumfragen verlassen, die von Organisationen durchgeführt wurden, um ihre Ansichten zu untermauern, „denn die Fragen können durchaus manipuliert worden sein, um die von der Organisation erwünschten Ergebnisse zu erzielen“. Die Autoren gehen sogar noch weiter: „Im Idealfall müssen Sie auch wissen, wohin das Denken der Befragten gelenkt wurde, ehe die Frage gestellt wurde.“

JOURNALISMUS – EINE WISSENSCHAFT FÜR SICH

Der Wettbewerbsdruck, Storys zu produzieren, die ein Publikum anlocken und fesseln, verstärkt das Problem, ein klares Bild von wissenschaftlichen Belangen zu erhalten. Laut Murray, Schwartz und Lichter „bedeutet das Interesse am Dramatischen, dass die Einschränkungen, Vorbehalte und Ungewissheiten, die das tägliche Brot wissenschaftlicher Forschung sind, in journalistischen Berichten dagegen als unbrauchbarer Ballast behandelt werden könnten“.

Ein besonders beunruhigendes Beispiel dieser Tendenz kommt von einem Forscher, der sich mit der globalen Erwärmung befasst. Die Autoren zitieren den Klimatologen Stephen H. Schneider, der an die Gefahren der globalen Erwärmung glaubt: „Einerseits sind wir als Wissenschaftler ethisch an die wissenschaftliche Methode gebunden und damit effektiv an ein Versprechen, die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen – und das bedeutet, auch all die Zweifel, die Vorbehalte, das Sowohl-als-Auch, das Wenn und Aber. Andererseits sind wir nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Menschen. Und wie die meisten Menschen möchten wir, dass es besser wird auf dieser Welt, und das bedeutet in diesem Kontext, dass wir dazu beitragen möchten, das Risiko potenziell katastrophaler klimatischer Veränderungen zu mindern. Um das zu erreichen, brauchen wir Unterstützung auf breiter Basis – wir müssen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bekommen. Das wiederum erfordert massive Medienpräsenz. Also müssen wir furchterregende Szenarien bieten, vereinfachte, dramatische Erklärungen abgeben und wenig über die Zweifel sagen, die wir vielleicht haben.“

Die Kontroverse um den Treibhauseffekt wird als Beispiel für die Probleme zitiert, die mit der Darstellung wissenschaftlicher Informationen in Medienberichten verbunden sind: „Das Auffälligste ist, dass diese vorsichtigen, zurückhaltenden Aussagen über die Begrenztheit von Klimamodellen einfach nie in die Nachrichten gekommen sind. Die Bedeutung der Klimatologie für das Gemeinwesen ist enorm. Mit dem Duck der Industrie auf der einen und dem Alarm der Umweltschützer auf der anderen Seite wird die Kluft zwischen der Unsicherheit der Wissenschaft und der Überzeugung der Medien immer beachtlicher. Doch erhebt sich der Verdacht, dass Journalisten, die sich der Vorbehalte und Bedenken in der wissenschaftlichen Literatur bewusst sind, davor zurückscheuen, sie zu veröffentlichen, weil sie fürchten, dass auch sie als parteiische Fürsprecher umweltzerstörerischer Interessen angesehen werden – oder, noch schlimmer, als leichtgläubige Naivlinge, die von der Industrie manipuliert werden. Vielleicht gibt es unter Wissenschaftsjournalisten eine subtile Form von Selbstzensur.“

Murray, Schwartz und Lichter sind sich bewusst, dass der Journalismus in der Information der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielt. Dennoch fühlen sie sich genötigt, ihrer tiefen Sorge darüber Ausdruck zu verleihen, welchen Einfluss Journalisten und ihre Organisationen auf das haben können, was berichtet wird: „Die einfache Antwort auf die Frage, was bei der Berichterstattung über die Forschung falsch läuft, lautet: einfach zu viel. Fehler, Achtlosigkeit, Ideologie, eigene Interessen, rechtswidriges Handeln, menschliche Schwäche und die komplexen Anforderungen eines wettbewerbsintensiven Umfeldes – all dies kann man anführen und als einen Teil der Vorwürfe betrachten. … Wir haben auch gesehen, welche Auswirkungen ein Journalismus in Form von Presseerklärungen hat, bei dem sich die Medien zu sehr auf oberflächliche ,Zusammenfassungen‘ komplexer Befunde verlassen, die oft mit einer politischen Zielsetzung verfasst wurden. … Darüber hinaus haben wir erlebt, wie die Fakten, wenn auch meist unbewusst, einer Reihe von vorherrschenden Textschablonen oder Szenarien angepasst werden. Diese Vorlagen fungieren als Filter und Prismen: Sie bewirken eine Vorauswahl relevanter Fakten, sie verzerren die eigentlichen Fakten in der Betrachtung durch die Linse der Journalisten, und gleichzeitig arrangieren sie die das Ganze zu befriedigenden Stories, die zu den vorgefassten Meinungen oder bekannten Schilderungen passen.“

WAS EIN INSIDER SIEHT

Bernard Goldberg (Bias) war 28 Jahre lang Nachrichtenkorrespondent bei CBS. Er schreibt, er habe jahrelang vergeblich versucht, seinen Vorgesetzten klarzumachen, dass ihre Nachrichtensendungen eine eindeutige Tendenz in Richtung der Liberalen zeigten – recht ungewöhnlich für jemanden, der „nie in [seinem] ganzen Leben einen Republikaner als Präsidenten gewählt hatte“. Schließlich schrieb er, von Bekannten wegen eines besonders tendenziösen Berichts angestachelt, einen Kommentar für das Wall Street Journal, in dem stand: „Das alte Argument, die überregionalen Rundfunksender und andere ,Medieneliten‘ hätten eine liberale Tendenz, ist so eindeutig wahr, dass es sich kaum noch zu diskutieren lohnt. Nein, wir sitzen nicht in finsteren Ecken herum und planen Strategien, wie wir die Nachrichten hinbiegen könnten. Das müssen wir nicht. Bei den meisten Reportern kommt das ganz von selbst.“

Goldberg behauptet: „Zu viele Nachrichtenleute, insbesondere die in den Weltzentralen in New York, wo alle großen Entscheidungen getroffen werden, sprechen hauptsächlich mit Leuten, die genau so sind wie sie selbst.“ Er fordert seine Leser auf: „Erinnern Sie sich an jene berühmte Bemerkung der ansonsten genialen Filmkritikerin Pauline Kael vom New Yorker, die 1972 nicht verstehen konnte, wie Richard Nixon die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte: ,Ich fasse es nicht!‘, sagte sie. ,Ich kenne keinen einzigen Menschen, der ihn gewählt hat!‘“ Und doch triumphierte Nixon in 49 Bundesstaaten, während sein Gegner nur einen gewann. Goldberg sieht dies als ein typisches Beispiel dafür, wie „hoffnungslos abgehoben vom amerikanischen Normalbürger“ die meisten Journalisten sind.

Goldberg sieht dies als ein typisches Beispiel dafür, wie „hoffnungslos abgehoben vom amerikanischen Normalbürger“ die meisten Journalisten sind.

Seine Sorge, dass liberal tendenziöse Medien der Gesellschaft schaden, veranschaulicht Goldberg in dem Kapitel über „Die wichtigste Story, die Sie nie im Fernsehen gesehen haben“. Er behauptet, die Fernsehsender berichteten nicht über „die wirklich große Story – vielleicht eine der größten unserer Zeit –, dass die Abwesenheit der amerikanischen Mütter von zu Hause historisch ohne Beispiel ist und dass Millionen und Abermillionen amerikanischer Kinder zurückgelassen worden sind und . . . ,allein zurechtkommen müssen‘ – mit traurigen Folgen.“

Dann zitiert er den Soziologen Andrew Hacker: „Von zehn verheirateten Frauen mit Kindern im Vorschulalter unter 6 Jahren gehen nicht weniger als sieben einer Erwerbstätigkeit nach.“ Laut Hacker stellt dies „eine neue Art des Mutterseins“ dar, bei der „die meisten [Frauen] es ablehnen, die Kinderbetreuung zu ihrem Hauptberuf zu machen.“

Um diesen enormen sozialen Umschwung zu erklären, zitiert Goldberg die Sozialwissenschaftlerin Mary Eberstadt: „Das liegt zum Teil daran, dass Scheidung in Amerika so alltäglich geworden ist, dass eine erhebliche Mehrheit der Amerikaner stillschweigend, aber nichtsdestoweniger bestimmt das gesamte Phänomen [dass Kinder zu entscheidenden Tageszeiten ohne ihre Mutter sind] zu etwas gemacht hat, das die Öffentlichkeit nichts angeht.“ Er fügt hinzu, so etwas zu veröffentlichen, mache nicht beliebt und sei „kein guter Weg, Quote zu machen, weder bei Nielsen noch sonst wo.“

Darüber hinaus sei man nicht bereit, dieses Thema in Fernsehnachrichten zu behandeln, denn „Medieneliten legen sich nicht mit den Feministinnen an. Die Feministinnen sind die Lobby, auf die Medieneliten (sowie ihren Frauen und Freundinnen) am meisten ausgerichtet sind. Feministinnen neigen dazu, jede Diskussion, die unbequeme Fragen über Schlüsselkinder oder Kleinkinder in Tagesstätten aufwirft, … als Frontalangriff auf die Frauen und ihre seit den Siebzigerjahren errungenen Freiheiten anzusehen.“

INFORMIERTER GLAUBEN

Wenn wir beim Frühstück Zeitung lesen, auf dem Weg zur Arbeit Radio hören oder am Abend Fernsehnachrichten sehen, müssen wir uns bewusst sein, auf welchem Weg die Nachrichten zu uns kommen. Wir müssen wissen, dass der Story viele Entscheidungen vorausgegangen sind, vielleicht über das Thema, die Formulierung der Fragen in einer Umfrage oder wie die Ergebnisse ausgewertet wurden. Wir müssen über das, was gesagt oder geschrieben wird, sorgfältig nachdenken, nicht naiv davon ausgehen, dass alles, was vermittelt wird, richtig oder ohne Auslassungen und Verzerrungen ist, seien diese nun beabsichtigt oder nicht.

Weil wir nicht überall sein können und nicht wissen können, worum es bei jeder Studie, jedem Forschungsprojekt geht, sind wir darauf angewiesen, dass andere uns informieren. Doch wir schulden es uns selbst, sorgsam zu bedenken und zu bewerten, was wir lesen, was wir hören und was wir letztlich glauben.