Die Propaganda mit der Propaganda
Propaganda will manipulieren. Doch im Lauf des letzten Jahrhunderts wurde der Begriff selbst manipuliert. Erkennen Sie Propaganda noch, wenn Sie sie sehen?
Propaganda ist nicht das, was Sie wahrscheinlich denken. Die meisten Menschen bringen sie mit den politischen Botschaften zur Zeit der beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert in Verbindung. Im Ersten gab es die unvergesslichen britischen Plakate, auf denen Lord Kitchener starren Blickes verkündete: „Your Country Needs You“ (Dein Land braucht dich), von vielen imitiert, darunter von den USA in Form der Figur des Uncle Sam – eine relativ geradlinige Methode der Rekrutierung von Soldaten. Später wurde die Propaganda komplexer und bösartiger, als die Nazis im Zweiten Weltkrieg begannen, die Ideen ihrer Partei zu verbreiten.
„Es war natürlich der unfassbare Erfolg der Propaganda während des Krieges, der den wenigen Intelligenten in allen Lebensbereichen die Augen für die Möglichkeiten öffnete, das Denken der Öffentlichkeit zu reglementieren.“
Jahrzehnte später wird der Begriff nur noch abwertend verwendet, als Synonym für Verzerrung, Täuschung und Korruption. Das passt zu einem generellen Misstrauen gegenüber der Obrigkeit, das bei Verschwörungstheoretikern sowie normalen Wählern gleichermaßen gedeiht. Die Italiener haben ein Wort dafür: „dietrologia“, die Vorstellung, dass jede offizielle Erklärung Propaganda ist, hinter („dietro“) der die Wahrheit versteckt wird.
In Wirklichkeit ist Propaganda jedoch viel mehr als das. Sie scheint ein Phänomen der Moderne zu sein, doch das Wort ist deutlich älter und hat – das ist entscheidend – ein weit größeres Bedeutungsspektrum. Wegen seiner historischen Assoziationen ist das Wort selbst Propaganda geworden, und heute erscheinen deren Methoden oft in unterschiedlichem Gewand. Es gibt eine Menge Propaganda, die nicht Propaganda genannt wird; darum ist es besonders wichtig, ihr Wesen zu verstehen und vor ihr auf der Hut zu sein.
GEDANKEN PROPAGIEREN
Der Begriff Propaganda stammt – was vielleicht überrascht – aus dem Katholizismus. Im Jahr 1622 setzte Papst Gregor XV. ein Gremium von Kardinälen ein, das dafür zuständig war, den römisch-katholischen Glauben in fremden Ländern zu verbreiten. Das lateinische Verb „propagare“ bedeutet vermehren, erweitern, verbreiten. Die Kardinäle wollten den Katholizismus in aller Welt vermehren und verbreiten, und dieses Bestreben wurde mit dem Ausdruck „propaganda“ (zu verbreitende Dinge) bezeichnet.
Ein kürzlich erschienener Führer, von dem Historiker David Welch in Zusammenarbeit mit der British Library herausgebracht, definiert Propaganda als „die Verbreitung von Gedanken mit dem Ziel, Menschen zu überreden, zu einem bestimmten, überzeugenden Zweck auf eine bestimmte Weise und zu denken und zu handeln“. Diese breite Definition ist keineswegs auf Politik oder Religion beschränkt. Überredung durch das Aufstellen und Verbreiten von Gedanken wurde und wird von allen möglichen Menschen in allen möglichen Bereichen praktiziert – von den Kreuzzügen über Gesundheitsbehörden bis hin zum Garten Eden.
„Propaganda war nie ein statischer Begriff, vor allem nicht in einer Zeit raschen Wandels in den Methoden der Verbreitung von Inhalten.“
Ja, die Worte der Schlange an Eva (1. Mose 3, 1-7) waren Propaganda, wie sie im Buche steht. Satan (die Schlange) stellte Gottes Verbot infrage, die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen, „dass ihr nicht sterbet“, indem er erst bestritt, dass sie sterben würden, und dann behauptete, das Verbot solle nur verhindern, dass Menschen „wie Gott“ würden. Er verbreitete Gedanken – in diesem Fall Lügen –, um zu seinem eigenen Nutzen Gottes Autorität zu untergraben; und er wollte diese ersten Menschen zu einer Denkweise verleiten, die diesem Nutzen diente. Eva und Adam, der nach ihr die Frucht aß, mussten leiden, weil sie ihm geglaubt hatten.
Obgleich Propaganda so alt ist wie die Menschheit, erreichte sie in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts zweifellos eine neue Reife. Die Bedingungen waren ideal. Medien in Gestalt von Radio und Zeitungen ermöglichten die zeitgleiche Kommunikation mit den Massen, und die allgemeine Ausweitung des Wahlrechts bedeutete, dass die Ansichten gewöhnlicher Menschen wichtiger waren als je zuvor. Führende Köpfe in Politik und Industrie hatten den Erfolg von Propaganda im Krieg erlebt und suchten nach Möglichkeiten, sie zu steuern und für sich zu nutzen.
Für unsere Ohren klingt das wohl ungut, aber die bewusste Beeinflussung der öffentlichen Meinung hatte nicht immer einen so üblen Ruf. Angesichts der Schrecken des Weltkriegs war man entschlossen, die Welt demokratisch zu machen (das berühmteste Beispiel dafür war auf geopolitischer Ebene der Völkerbund). Der Schriftsteller H. G. Wells schrieb damals: „Unsere Aufgabe ist Gedanken zu töten. Der letzte Zweck dieses Krieges ist Propaganda, die Vernichtung bestimmter Überzeugungen und die Schaffung anderer Überzeugungen. Dieser Propaganda müssen sich vernünftige Männer widmen.“ Damit meinte er nichts Schlechtes; aus ihm sprach reiner Pragmatismus, verbunden mit Hoffnung. Der Wissenschaftler und Medienkritiker Mark Crispin Miller schreibt: Propaganda schien „eine wunderbare neue, progressive Kraft, die jedes Leben und jedes Haus heller machen konnte“.
Einer ihrer Vorkämpfer war Edward L. Bernays, der später den Beinamen „Vater der Public Relations“ bekam. In einem einflussreichen, kurzen Buch mit dem Titel Propaganda (1928) verteidigte und befürwortete Bernays die Praxis der Propaganda und beschrieb sie mit Begriffen, die uns unerwartet breit gefasst vorkommen könnten. Für ihn beinhaltete Propaganda Aspekte wie Werbung zu treiben, eine Marke aufzubauen, etwas zur Geltung zu bringen, Public Relations (PR) zu betreiben oder sich einfach von seiner besten Seite zu zeigen.
„Was auch immer sozial Bedeutendes heute getan wird, ob in Politik, Finanz, Industrie, Landwirtschaft, Wohltätigkeit, Bildung oder anderen Bereichen, muss mit Hilfe von Propaganda getan werden.“
Wenn man die geschichtlichen Assoziationen des Wortes beiseitelässt, ist Bernays’ Sichtweise leicht zu verstehen. Denkt man an Reklame für Zahnpasta, Webespots von politischen Parteien oder Techniken für Bewerbungsgespräche, so sind ihre Prinzipien kaum von denen der unkompliziertesten Kriegspropaganda zu unterscheiden. Die grundlegende Botschaft ist die gleiche: Wir sind gut, die anderen sind schlecht (oder weniger gut); deshalb wählt uns.
Bernays’ bemerkenswertestes Argument lautet, Propaganda sei ein notwendiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft: „Wir werden weitgehend von Männern, von denen wir nicht einmal gehört haben, regiert und in unserem Denken, unserem Geschmack, unseren Vorstellungen beeinflusst. Das ist eine logische Folge der Art, in der unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist.“
Miller besorgte 2004 eine Neuauflage von Propaganda und zeigte in seiner Einleitung auf, wie stark sich Bernays’ Ansichten zu diesem Thema auf seinen Zeitgenossen Walter Lippmann und dessen Buch Public Opinion (1922) stützten. Lippmann zufolge, so Miller, erfordere Demokratie „ein der Regierung übergeordnetes Gremium aus ungebundenen Experten, welche die Daten sichten und die Dinge durchdenken. … Die wichtigsten Gestaltungsaufgaben und Entscheidungen müssen dem ,verantwortlichen Administrator‘ übertragen werden.“
Mediatoren, wie sie Lippmann und Bernays beschrieben haben, sind heute möglicherweise nötiger denn je. In unserem Informationszeitalter haben wir zu jeder Stunde jedes Tages mit Massen von Daten zu tun, und es ist schwer zu erkennen, worauf wir achten sollten und was unsere Zeit wert ist. Irgendeine Form systematischer Verwaltung von Optionen scheint erforderlich.
Solche Administratoren gibt es heute in der Tat. Die Werbebranche, Imageberater und Betreiber von Internetportalen haben einen enormen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Am deutlichsten wird das in der Werbung, insbesondere für die mächtigsten Marken. Ihre Propaganda nimmt bestimmte Begriffe in Anspruch, die dem Verbraucher suggerieren, dass sie die Besten, die Coolsten, die Marktführer oder die Begehrtesten sind. Ihre Behauptungen werden bewusst so gehalten, dass sie schwer zu messen sind, und gehen über die Qualität ihres Produkts hinaus. Viele der erfolgreichsten Marken präsentieren sich als ein Lifestyle, eine Persönlichkeit, ein allumfassendes Daseinssystem, das Verbraucher anstreben sollten (das behauptet jedenfalls ihre Werbung). Apple hat zum Beispiel komplexe Systeme aus miteinander vernetzten Geräten geschaffen, die die Käufer in eine Art „iWelt“ einbinden sollen. Google treibt sein eigenes Netz von Programmen voran. Durch Filterblasen und gezielte Werbung siebt und personalisiert das Unternehmen außerdem Informationen für den individuellen Nutzer, was unweigerlich – weil bestimmte Websites und Informationsarten am besten zu seinen Algorithmen passen – eine „googlefizierte“ Sicht der Welt fördert. Selbst „Toprezensenten“ auf Verbraucherseiten, beispielsweise von Yelp und Amazon, die manche als das Gegenmittel für die Reklame von Herstellern sehen, wirken meinungsbildend: In ihrem Bestreben, „Likes“ und Markierungen als „nützlich“ zu erhalten, bringen sie ihre Vorstellung davon zur Geltung, was Unternehmen ihren Kunden bieten sollten. All dies sind Formen von Propaganda im eigentlichen Wortsinn.
Auch die Propaganda im klassischen Sinn gibt es natürlich noch. In der Politik wenden Redenschreiber und Strategieberater verschiedene Methoden an, um ihre Kandidaten zu „positionieren“. In den USA werben Gesundheitsbehörden mit herkömmlichen Anzeigen für ihre Anliegen, und Nahverkehrsbetriebe werben mit Plakaten und Schildern für bestimmte Verhaltensregeln. In den ersten Jahren unseres Jahrhunderts hörte man in den westlichen Ländern viel über den „Krieg gegen den Terror“; damit sollte Unterstützung für den Irakkrieg gewonnen werden. Wohltätigkeitsorganisationen preisen die Tapferkeit von Soldaten im Mittleren Osten – wobei sie ihre Bemühungen von der Ethik des Krieges selbst trennen –, um die Menschen zum Spenden anzuregen. Bei den periodischen Auseinandersetzungen zwischen dem Westen und den Staaten der früheren Sowjetunion wird immer sehr klar dargestellt, wer die Guten und die Bösen sind – je nachdem, wessen Nachrichtensender man eingeschaltet hat.
EINE FRAGE DER MOTIVATION
Propaganda kann nicht nur schlechten, sondern auch guten Zielen dienen. Welch erklärt sie für in sich „ethisch und moralisch neutral“, während Bernays schrieb: „Ob Propaganda im Einzelfall gut oder schlecht ist, hängt von dem Zweck ab, für den sie wirbt, und von der Richtigkeit der publizierten Informationen.“ So unheilvoll die Inhalte zum Beispiel der Nazis zweifellos waren, gibt es doch sehr viel positive Propaganda; die Kampagnen der Gesundheitsbehörden, die dazu aufriefen, der Verbreitung von Keimen vorzubeugen – zunächst Erkältungsviren und später AIDS-Viren –, dienten zweifellos einem positiven Zweck. Doch wenn der Zweck weniger klar ist, wie soll man dann zwischen positiv und negativ unterscheiden?
„An und für sich hat das Wort Propaganda bestimmte technische Bedeutungen, die – wie das meiste dieser Welt – ,weder gut noch schlecht sind, sondern die Gewohnheit macht sie dazu‘.“
Bernays’ Propaganda war altruistisch und väterlich. Für Propagandisten schrieb er: „Das Ideal des Berufes ist, die Verschwendung und die Reibung zu eliminieren, die entstehen, wenn die Industrie Dinge tut oder produziert, die ihr Publikum nicht will, oder wenn das Publikum nicht versteht, was ihm angeboten wird.“ Es ist eine Art Selektionsverfahren für das Volk der Verbraucher, bei dem der Propagandist motiviert ist, auszuwählen und zu präsentieren, was die Verbraucher wollen oder benötigen, oder sie zu informieren. Das scheint, selbst wenn man über Geschichte nicht viel weiß, außerordentlich idealistisch. Bernays setzte sehr großes Vertrauen in die Administratoren, die er vorschlug, und somit in die Natur des Menschen – ein Vertrauen, das unzählige Male enttäuscht wurde.
Natürlich gibt es Kontrollmechanismen, die moderne Propagandisten von Schurkereien abhalten. Das Feedback – bei werbenden Unternehmen Absatz, bei Politikern Stimmen – motiviert den Propagandisten, zum Wohl seiner Zielgruppe zu arbeiten, doch die Geschichte zeigt, dass Menschen immer Möglichkeiten finden, gut auszusehen und den größten Profit herauszuschlagen.
Daneben gibt es weitere Sicherungsmechanismen. Journalisten schauen ganz genau hin, was Politiker tun, und es gibt unabhängige Überwachungsinstanzen, die den Exzessen von Werbeagenturen und PR-Leuten Grenzen setzen. Außerdem wissen wir als Öffentlichkeit Bescheid. Wir wissen, dass in der Werbung übertrieben wird, dass Politiker Heimlichkeiten haben, dass Presseerklärungen nicht objektiv sind; und die meisten von uns beurteilen sie dementsprechend. So könnte man es für unwahrscheinlich halten, dass wir uns jemals wieder so verführen lassen wie die Deutschen in den 1930er-Jahren oder Eva im Garten Eden. Welch zufolge müssen Bürger einfach „besser informiert sein und sich mit größerem Wissen über das Wesen und das Funktionieren des Informationszeitalters wappnen“.
Vielleicht können wir darauf vertrauen, dass wir clever sind, dass wir skeptisch sind. Das setzt voraus, dass ein Mensch die Wahrheit erkennen kann, wenn ihm die Fakten vorgelegt werden, und dass er, wenn er sie erkannt hat, angemessene Entscheidungen trifft. Das ist eine positive, sokratische Sichtweise.
Eine solche Sichtweise unterschätzt allerdings neben der Geschicklichkeit des Propagandisten auch die Komplexität und das Gewicht der Informationen, mit denen wir ständig konfrontiert sind. Wenn wir eine Erklärung, eine Werbung, eine Kampagne deuten, müssen wir mehrere Schichten von Motivation und Bedeutung durchschauen. Wenn ein Politiker etwas sagt, warum sagt er (oder sie) es? Handelt es sich um nackten Stimmenfang, interne Positionierung, persönlichen Imagegewinn? Oder geht es um eine Ambition, von der wir nichts wissen? Und das ist noch die einfache Variante. In Wirklichkeit ist es oft schwer, auch nur die Identität des bzw. der Propagandisten festzustellen, ganz zu schweigen von seinen oder ihren Motiven. Es überrascht, wenn etwas tatsächlich das ist, was es zu sein scheint. In diesem Zusammenhang schrieb der französische Sozialphilosoph Guy Debord in den 1960er-Jahren: „Was einmal direkt gelebt wurde, existiert nun im Modus der Repräsentation.“
Außerdem verkennt diese Annahme das Wesen des Menschen. Wir sind nicht so klarsichtig und rational, wie wir es gerne glauben möchten. Von den Nazis über Nixon bis zu schicker Zigarettenwerbung – die Menschen haben immer wieder ihre Neigung offenbart, Lügen zu glauben.
Das Beispiel im Garten Eden ist bezeichnend. Eva glaubte der Schlange nicht, weil sie sich rational dafür entschied (warum sollte sie wohl einer sprechenden Schlange vertrauen?), sondern weil sie auf drei klassische Propagandatricks hereinfiel: erstens, dass sie in einem einzigen Schritt sofort besser sein könne, zweitens, dass die Autorität über ihr etwas verbarg, und drittens den Reiz des Neuen. Die Tricks der Schlange schmeichelten ihrem Ego, und sie fiel auf den Betrug herein. Adams Motive waren komplexer; weiter hinten in der Bibel heißt es, dass er in vollem Bewusstsein handelte. Tatsache ist jedoch, dass beide den verführerischen Worten der Schlange Gehör schenkten.
Die Bibel zeigt, dass dies kein einmaliges Ereignis war. Mehrfach erwähnt sie Menschen, die die Lüge „gern haben“, dass sich jemand auf sie „verlässt“ oder sie „gern hört“ (Psalm 4, 3; Jeremia 13, 25; Hesekiel 13, 19). Sie spricht von dem gleichen irrationalen, selbstsüchtigen Wesen, das die wissenschaftliche Forschung gerade entdeckt. Die Geschichte bestätigt dies: Psychologische Analysen der Denkweise von Nazis in den 1930er-Jahren brachten etwas zutage, das alles andere als „nüchtern“ und „rational“ war. Wir glauben aufgrund unserer Natur das, was diese Natur aus ihren eigenen Motiven wünscht – Motiven, die selten logisch sind und die wir nicht immer vollkommen verstehen (Jeremia 17, 9; 1. Korinther 2, 11).
An dieser Schwäche der menschlichen Natur liegt es, dass Propaganda erfolgreich ist. Das nutzen Propagandamacher schon seit Jahrtausenden aus, aber heute ist das Problem heikler denn je. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob Propaganda als System – ganz abgesehen von der Gutartigkeit oder Bösartigkeit ihres Inhalts – den Menschen nicht überfordert.
Bernays unterschied vereinfachend und ziemlich sarkastisch zwischen den alten Zeiten (als Macht noch diktatorischer war) und der neuen Zeit: „Es mag besser sein, statt Propaganda und Sonderanträgen Gremien von weisen Männern zu haben, die unsere Herrscher wählen, unser privates und öffentliches Verhalten diktieren und bestimmen, welche Arten von Kleidung und Nahrung für uns am besten sind. Doch wir haben uns für die entgegengesetzte Methode entschieden: die des offenen Wettbewerbs.“
Sein Naserümpfen über „Gremien von weisen Männern“ war sicher eine Reaktion auf frustrierende Erfahrungen und die Geschichte menschlichen Scheiterns. Doch es wäre vielleicht klug von ihm gewesen, auch hier die gleiche Unterscheidung zwischen Ziel und Methode zu verwenden wie bei seiner Verteidigung der Propaganda. Wenn ein Administrator weise ist, kommt diese Weisheit doch sicher dem Volk zugute, ob sie nun diktiert wird oder nicht. Der Unterschied zwischen den beiden Systemen (alt und diktatorisch oder neu und demokratisch) ist die Identität derjenigen, die entscheiden, und das scheint der Kern von Bernaysʼ Ablehnung zu sein. Dies hat, wiederum nach seiner Methode der Unterscheidung, nichts damit zu tun, was eigentlich die Wahrheit ist. Offenbar ist er auf den Reiz – tatsächlich die Propaganda – der menschlichen Freiheit hereingefallen.
Zurück zum Garten Eden. Dadurch, dass sie der Schlange glaubten, widersetzten sich Eva und Adam der Anweisung ihres Schöpfers (für den Bernays’ „weise Männer“ stehen könnten) und entschieden sich für den Reiz der freien Entscheidung – selbst zu wählen, was ihnen richtig vorkam. Sie missachteten Gott, der sie geschaffen und Regeln zu ihrem Besten aufgestellt hatte. Die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, war ihnen wichtiger als der Gehorsam gegenüber ihrem Schöpfer, ohne Rücksicht auf die Frage, ob es gut war oder nicht, die Frucht zu essen. Sie trafen eine Wahl, die von der Propaganda begünstigt war.
Die Bibel spricht von einer Zukunft, in der die Menschheit von ihrem Schöpfer regiert wird, mit Regeln und Gesetzen, die gut für sie sind (Jesaja 51, 4-5; Jeremia 31, 31-34; 32, 38-41) – Bedingungen, unter denen es nicht so viel Propaganda geben wird. Diese Zeit ist aber noch nicht gekommen.
Was bedeutet das für uns in unserer modernen Welt? Propaganda ist wahrscheinlich grundsätzlich als nicht vertrauenswürdig zu betrachten. Da wir, wie Bernays schrieb, den „offenen Wettbewerb“ gewählt haben, müssen wir aber dennoch mit ihr zurechtkommen. Das ist nicht einfach, weil sie überall ist. Tatsächlich produzieren wir selbst Propaganda, wenn wir Fakten und Argumente anführen, um jemanden von einer Sichtweise zu überzeugen. Entscheidend sind, wie Bernays schrieb, der „Wert“ und die „Richtigkeit“ des Inhalts.
Einstweilen müssen wir, so gut es geht, auf der Hut und in der Lage sein, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. In unserer wenig vertrauenswürdigen, verwickelten Welt ist das kein leichtes Unterfangen. Doch die Antwort liegt genau in dem Schöpfer, von dem Adam und Eva sich abwandten. Sie beginnt damit, bei dieser reinen Quelle die Wahrheit zu suchen. Der Psalmist David schrieb: „HERR, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige! Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich! Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf dich“ (Psalm 25, 4-5).