Ein Geflecht von Problemen
Früher, schreibt der Arzt Richard Swenson in Margin, konnte man unsere Probleme einzeln untersuchen und lösen. Weil zwischen ihnen ein Abstand war – was er als „Spielraum“ bezeichnet –, konnte man den einen entscheidenden „Knackpunkt“ für jedes einzelne Problem finden und mit diesem reduktionistischen Prinzip zur Lösung gelangen. Heute sei dieser Spielraum verschwunden; ein Problem gehe in das nächste über, sodass die Lösung jedes einzelnen Problems es erfordere, auch die anderen zu lösen. Da sich die Probleme immer mehr überschneiden und verbinden, ist es nicht mehr nur ihre Vielzahl, die uns verfolgt; es ist die darin manifestierte Gesamtheit des menschlichen Scheiterns, die auf einen systemweiten Zusammenbruch hindeutet: „Ob es uns passt oder nicht“, schreibt Swenson, „die Geschichte wird uns mit dem Ganzen platt walzen, nicht mit Einzelteilen.“
Er erklärt: „Wenn wir unsere kriminellen Aktivitäten integrieren – städtische Kriegsgebiete, Straßengangs, Drogensucht, Überfüllung der Gefängnisse, Staatsverschuldung, Außenhandelsdefizit, Verschuldung von Unternehmen und Verbrauchern, Finanzmarktkrisen, Krankenhausschließungen in Rekordhöhe, Kostenexplosion im Gesundheits- und Hochschulsektor, Verschlechterung der Bildung, Geschlechtskrankheiten, Hunderttausende von AIDS-Fällen, Alkoholismus, Zerrüttung von Familien, Scheidung, Schwangerschaft bei Teenagern, alleinstehende Eltern, Kindesmisshandlung, Zusammenbruch unseres Kinderschutzsystems, Anstieg von Stress, Komplexität, Überlastung, Angst, Depression, Selbstmord, Umweltverschmutzung, Gerichtsverfahren, Zerfall der Infrastruktur, ,todorientierte Hoffnungslosigkeit‘ der zeitgenössischen Kunst und das Verschwinden von Tradition wie auch Gemeinschaft –, dann finden wir, dass sowohl die spezifischen Merkmale als auch die Dimensionen und die Bedrohung heute ganz anders sind als je zuvor“(kursive Hervorhebungen vom Autor).