Eine Saat voller Zwietracht

Bei der Diskussion um Patente auf DNA-Basis, die immer weitere Kreise zieht, ist eine Frage zentral: Wem gehört gentechnisch verändertes Leben? Sind wir uns bewusst, welche Folgen es haben kann, wenn Grundlagen des Lebens der Vermarktung anheim fallen?

Percy Schmeiser baut seit über 40 Jahren auf seiner Farm in Bruno, Saskatchewan (Kanada) Raps an. Doch vor sechs Jahren wurde sein Leben unerwartet kompliziert. Der Wind hatte Pollen von dem genetisch veränderten Raps benachbarter Farmen auf sein Land getragen. Ohne es zu wissen, begann Schmeiser einen genetisch veränderten Raps anzubauen, auf den ein großer amerikanischer Hersteller ein Patent hatte.

Vertreter des Unternehmens kamen auf Schmeisers Farm und nahmen ohne seine Erlaubnis Saatgutproben. Sie analysierten das Saatgut und teilten ihm dann mit, er schulde dem Unternehmen Tausende von Dollar für den Verstoß gegen sein patentrechtliches Monopol auf das Saatgut. Doch es kam noch schlimmer. Schmeiser konnte die unerwünschten Pflanzen nicht von seinem Feld entfernen, denn das Saatgut war auf gentechnischem Weg unempfindlich gegen Herbizide gemacht worden. Zusätzlich zu den anderen Kosten würde er daher jedes Jahr Lizenzgebühren für die fortgesetzte Nutzung des Saatgutes zahlen und die Gewinne aus seiner Ernte mit dem Unternehmen teilen müssen.

Der Farmer wies die Forderungen des Unternehmens zurück, und so verklagte es ihn. Der Fall ging bis zum Obersten Gerichtshof Kanadas, der schließlich (mit einer Mehrheit von 5:4) zugunsten des Unternehmens entschied, da gegen das Patentrecht in seiner derzeitigen Fassung tatsächlich ein Verstoß vorliege. Schmeisers größter Trost war, dass das Gericht das Urteil einer niedrigeren Instanz kippte, nach dem er nicht nur die ursprünglichen finanziellen Forderungen, sondern auch noch einen erheblichen Anteil der Verfahrenskosten hätte zahlen müssen. Trotzdem wurde der Farmer viele tausend Dollar für seine eigenen Verteidigungskosten los.

PATENTE UND LEBEN

Schmeisers Fall ist nur ein Beispiel dafür, wie „Patente auf Leben“ beginnen, sich auf die Landwirtschaft auszuwirken. Doch sie ist nicht der einzige Wirtschaftszweig, der von Patenten auf DNA-Basis betroffen ist. Diese Patente haben schwerwiegende Folgen für die medizinische Forschung, die Pharmaziebranche, Ärzte, Krankenhäuser und die Gesellschaft als Ganzes.

Was ist eigentlich ein Patent auf Leben? Der Begriff kann ein Patent auf eine genetisch veränderte Pflanze oder Tierart bezeichnen oder auf ein Gen, das von einem Menschen oder einem anderen lebendigen Organismus genommen, dann in einem Labor wissenschaftlich isoliert und angezüchtet wurde. Viele Patente werden für abnorme Gene angemeldet, die mit Krankheiten in Verbindung stehen, z.B. die BRCA1- und BRCA2-Mutationen (Brust- und Eierstockkrebs). Ein Patent könnte auch für ein Gen angemeldet werden, das als nützlich für die Krankheitsbekämpfung, für auf Genen basierende Wirkstoffe und Diagnostika und für Gentherapien erkannt wurde.

Wichtig ist hier, dass natürlich vorkommende Pflanzen und Tiere nicht patentierbar sind, ebenso wenig wie tatsächliche Gene im menschlichen Körper. „Auf keinen Organismus, der in der Natur zu finden ist, kann man ein Patent bekommen“, sagt Daniel Kevles, Professor für Geschichte an der Yale University. Kevles arbeitet derzeit an einem Buch mit dem Titel The Engineering and Ownership of Life über die Geschichte des geistigen Eigentums an lebenden Organismen. „Nicht das Gen selbst ist Gegenstand des Patents“, erklärt er, „sondern die komplementäre DNA-Version davon. Diese Komplementärversion wurde wissenschaftlich isoliert und in einem Labor manipuliert. Deshalb verdient sie ein Patent, weil sie in ausreichendem Maße von Menschen verändert ist, um für rechtliche Zwecke als von Menschen gemacht zu gelten.“ Er fährt fort: „Man könnte ein Patent auf Mais bekommen, der durch gentechnische Veränderungen schädlingsresistent gemacht worden ist, oder auf eine Lachsart, die infolge gentechnischer Veränderungen doppelt so schnell wächst.“

Um patentierbar zu sein, muss eine Innovation etwas tatsächlich Neuartiges sein, nicht nur eine naheliegende Erweiterung bestehenden Wissens; sie muss einen praktischen Nutzen haben, die angegebene Funktion der DNA-Sequenz oder des Wirkstoffs muss glaubhaft sein, und sie muss ausreichend beschrieben sein, sodass andere Forscher diese Erfindung machen und nutzen könnten. Wenn ein Forscher ein bestimmtes Gen nur entdeckt hat, ist dies nicht patentierbar.

Patente auf Gene und lebende Organismen ähneln denen für Konsumgüter. „Ein Patent ist eine Art Lizenz, die der Staat einem Erfinder gewährt“, erklärt Robert Cook-Deegan, der Direktor des Center for Genome Ethics, Law, and Policy an der Duke University. „Es gibt dem Erfinder das Recht, Rivalen gerichtlich daran zu hindern, eine Erfindung ohne seine Genehmigung herzustellen, zu nutzen oder zu verkaufen. Das Patent kann allerdings verkauft, vermietet oder verliehen werden.“ Der Inhaber eines DNA-Patents ist nicht Eigentümer der Gensequenz; er ist nur für einen begrenzten Zeitraum berechtigt, andere an ihrer Nutzung zu hindern. In den USA gelten Patente 20 Jahre. Innerhalb dieser Frist müssen andere, die mit dem patentierten Gen oder Organismus forschen, es bzw. ihn produzieren oder verkaufen wollen, die Genehmigung des Patentinhabers einholen und gewöhnlich auch bezahlen.

Wie bekommt man ein Patent für ein Gen? „Man findet ein neues Gen und bekommt heraus, was es tut oder wie es nutzbar gemacht werden kann, und dann meldet man ein Patent an“, antwortet Jon Merz, Assistant Professor im zur School of Medicine gehörenden Department of Medical Ethics an der University of Pennsylvania in Philadelphia. „Wenn man ein Professor ist, vergibt man eine Lizenz an ein Unternehmen. Das Unternehmen hat nun 20 Jahre lang ein Exklusivrecht darauf, es zu nutzen und einen Wirkstoff zu finden. Wenn es einen Wirkstoff findet, sagen wir zehn Jahre später, bekommt es noch einmal 20 Jahre, diesmal auf den Wirkstoff.“ Am Ende der Laufzeit des Patents darf jeder das Produkt oder Verfahren nutzen, ohne die Erlaubnis des Erfinders einzuholen.

Da es kein weltweites Patentsystem gibt, müssen Erfinder ihr Patent in jedem Land anmelden, wo sie aktiv werden wollen.

DAS ERSTE MAL

Der Gedanke an Patente auf Leben mag neu erscheinen, doch es gibt ihn schon seit Jahrzehnten. Das erste geht auf das Jahr 1972 zurück, als der Mikrobiologe Ananda Chakrabarty gentechnisch veränderte, Rohöl fressende Mikroorganismen patentieren lassen wollte. Er hatte genetisches Material von vier verschiedenen Strängen des Pseudomonas-Bakteriums kombiniert und dadurch einen Superstrang von Bakterien erzielt, die eingesetzt werden konnten, um Ölteppiche nach Tankerunglücken zu beseitigen.

Chakrabarty beantragte beim U.S. Patent und Trademark Office (USPTO) ein Patent, um seine Arbeit zu schützen. Der Antrag wurde alsbald abgelehnt, weil das „Produkt“ bereits in der Natur vorkomme. Chakrabarty legte mehrfach Widerspruch ein, bis der Fall schließlich vor den U.S. Supreme Court kam. Dieser entschied im Jahr 1980, der betreffende Mikroorganismus sei in der Tat eine Erfindung und könne somit patentiert werden.

Daraufhin gab das USPTO eine neue Richtlinie bekannt, nach der die geltende Definition patentierbarer Dinge auf von Menschen erzeugte tierische Lebensformen ausgeweitet wurde. Im Jahr 1988 vergab es ein Patent für einen weiteren lebenden Organismus, die „Harvard-Maus“ - eine Labormaus, die von Forschern der Harvard University gentechnisch produziert worden war, um als Modell für Untersuchungen zu dienen, wie Gene zu Brustkrebs beitragen.

Seit der Harvard-Maus hat das USPTO Hunderte von Patenten für genetisch veränderte Pflanzen und Tiere und über 9000 Patente für Gene oder Genfragmente vergeben. Schätzungsweise 24 000 Patente auf DNA-Basis sind beantragt, und ständig kommen neue Anträge hinzu. Auch die Patentämter in Großbritannien, der EU, Japan und anderen Industrieländern in aller Welt haben viele Patente auf Leben vergeben.

Ist das gut oder schlecht? Menschen, die in der Biotech-Branche arbeiten, finden es generell gut (siehe Kastenartikel „Argumente für Patente auf Leben“). Doch nicht alle denken so. Viele Ärzte, Geistliche, Bioethiker, Geistes- und sogar Naturwissenschaftler sehen ein großes Problempotenzial in den DNA-Patenten. Ihre Bedenken betreffen drei Hauptbereiche: Ethik, Wirtschaft und Forschung. (Diese Bedenken werden in mehreren Kastenartikeln im Einzelnen erörtert.) Allerdings sollte niemand glauben, diese Fragen beträfen nur ein paar Berufsgruppen. Sie sind von erheblicher Tragweite für die Gesellschaft als Ganzes und für jeden Einzelnen von uns.

DER WEG NACH VORN

Trotz dieser Bedenken glauben die meisten Menschen in der Branche, dass das Patentieren weitergehen wird. Die Frage ist: Wie können wir es unter Kontrolle halten? Können wir es unter Kontrolle halten?

Die meisten Menschen in der Branche glauben, dass das Patentieren weitergehen wird. Die Frage ist: Wie können wir es unter Kontrolle halten? Können wir es unter Kontrolle halten?

Professor Wayne Hall, der Leiter des Office of Public Policy and Ethics am Institute for Molecular Bioscience der University of Queensland, ist der Ansicht, dass die Probleme nicht so sehr durch das Patentieren selbst verursacht werden als vielmehr durch den Missbrauch des Systems. Seiner Meinung nach verlangen zu viele Unternehmen unvernünftige Lizenzgebühren für die Nutzung von DNA-Sequenzen, stellen zu viele Beschränkungen für ihre gentechnischen Produkte auf und verlangen weit überhöhte Preise für die Arzneien und Tests, die sie entwickelt haben. Auch findet er, dass das Patentrecht die Patentierung von DNA-Sequenzen tendenziell zu großzügig behandelt. „Viele Patente sind nicht nur breit gefasst (d.h., sie decken das Gen selbst oder alle Nutzungen eines Gens ab statt einer spezifischen Anwendung einer DNA-Sequenz), sondern sie wurden unter schwacher Berücksichtigung der Kriterien für Neuheit und Nützlichkeit erteilt“, sagt er.

Dennoch ist laut Hall keines dieser Probleme unlösbar. „Eigentlich geht es darum, dass die Patentämter bereit sind, anzuwenden, was das Patentrecht in den meisten Ländern vorsieht, und Unternehmen mit schlechten Praktiken ablehnen“, sagt er. „Das können sie tun, indem sie sie zur Lizenzvergabe und zu vernünftigen Preisen für ihre Lizenzen zwingen, damit sie für mehr Nutzer verfügbar sind. Auch müssen sie sorgfältiger vorgehen, sodass die sehr breit gefassten, allgemeinen Patente nicht durchkommen.“

Was die Verfügbarkeit benötigter Arzneimittel und landwirtschaftlicher Produkte für Entwicklungsländer betrifft, so ist eine Idee laut Cook-Deegan die Schaffung eines „Marktpreissystems“. Man würde Biotech-Unternehmen in Aussicht stellen, wenn sie einen bestimmten Impfstoff herstellten, der für die Dritte Welt benötigt wird, würden reiche Länder ihnen eine bestimmte Menge für ärmere Länder abkaufen. Er sieht dies als für alle Beteiligten vorteilhaft an, denn „es bietet einen Anreiz, einen Impfstoff zu entwickeln, weil es einen garantierten Markt gibt. Das bewahrt den Anreiz des Patents, löst aber gleichzeitig das Problem, dass die Menschen in diesen Ländern nicht genug Geld haben, um die Medikamente zu bezahlen, die sie brauchen.“

Auf einer weniger materiellen Ebene besteht noch immer die größere ethische Frage, ob Leben, gleich welcher Art, überhaupt patentiert werden sollte. „Darüber wird man wahrscheinlich lange diskutieren“, sagt Grant Sutherland, Research Fellow an der Frauen- und Kinderklinik in Adelaide, Australien. „Ein Teil des Problems liegt auch darin, dass eine Gruppe oder Person etwas für ethisch hält, eine andere hingegen etwas anderes.“

Kevles von Yale beurteilt die Lage so: „Derzeit weiß die breite Öffentlichkeit nicht wirklich, was los ist. Dem Kongress wurden ein paar Gesetzesentwürfe vorgelegt, um die Vergabe von Patenten auf menschliche Gene zu regeln, aber es gibt noch nicht so viele, dass Sorgen aufkommen. Wenn sie erst zahlreicher werden - und ich glaube, das werden sie - und wenn sie einmal Krankheiten betreffen, die verbreiteter sind als die Brustkrebsarten BRCA 1 und 2 [nur ein kleiner Prozentsatz der Brustkrebsarten], dann könnte die Öffentlichkeit durchaus unruhig werden und sagen: ,Wir verdienen was Besseres!' Die Gentechnik wächst. Ständig werden neue Forschritte gemacht. In ihrem Zuge werden DNA-Patente in den kommenden Jahren mit Sicherheit stärker diskutiert werden.“