Es ist Sklaverei

2007 sind es 200 Jahre her, dass Menschenhandel in Großbritannien und den USA gesetzlich verboten wurde. Trotzdem sind Sklaverei und Sklavenhandel in diesen Ländern und in der ganzen Welt immer noch ein florierendes Geschäft. 

Für Beatrice Fernando war das Leben im Libanon so unerträglich geworden, dass sie in ihrer Verzweiflung von einem Balkon im vierten Stock eines Beiruter Hauses in die Freiheit sprang. Die Geschichte dieser 23-jährigen Frau aus Sri Lanka ist beispielhaft für die traurigen Realitäten der modernen Sklaverei. 

Nach dem Scheitern ihrer Ehe in Sri Lanka war Frau Fernando zu ihren Eltern zurückgezogen. Doch sie sah keine Perspektiven für ein Einkommen oder eine Ausbildung in ihrem Land. Um der drückenden Armut ihrer Familie zu entfliehen, beschloss sie gegen den Rat ihrer Eltern, in den Libanon zu gehen. Es würde traumatisch sein, ihren dreijährigen Sohn für zwei Jahre zu verlassen, aber seiner Zukunft würde es noch mehr zugute kommen als der ihren. 

In Beirut nahm die Arbeitsagentur ihr den Pass weg und mit ihm ihre Hoffnungen und Träume. Sie bekam eine Stelle als Dienstmädchen bei einer reichen Libanesin, und die nächsten Monate war sie in der Wohnung dieser Frau eingesperrt, abgeschnitten von der Außenwelt. Ihr Arbeitsverhältnis bescherte ihr ständige Beleidigungen, Demütigungen, Schläge, Arbeit bei Tag und Nacht, man ließ sie nahezu verhungern - und das alles ohne die versprochene Bezahlung. 

Ihr Arbeitstag begann um 5 Uhr früh und endete nach Mitternacht. Ihre Mahlzeiten, oft nur eine am Tag, bestanden aus den Überresten auf den Tellern der Kinder oder dem, was sie im Müll finden konnte, wenn die Dame des Hauses nicht da war. Manchmal waren die Reste, die an Fischgräten hingen, das Beste, das sie erhoffen konnte. 

Aus Wochen wurden Monate; sie wurde immer schwächer und brauchte immer länger für ihre täglichen Aufgaben. In ihren schlaflosen Nächten träumte sie von Essen. 

Es war Zeit, etwas für ihre immer schlechter werdende Lage zu tun. Es war 5 Uhr früh. Sie betete, Gott möge ihr vergeben, wenn sie sterben sollte, und ließ das eiserne Balkongeländer los. 

Doch sie starb nicht. Frau Fernando wachte in einem Beiruter Krankenhaus auf und sah sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Monaten der Genesung für ihren gebrochenen Rücken und Jahren quälender Schmerzen. Als sie schließlich zu ihren Eltern nach Sri Lanka heimkehrte, empfand sie dies einerseits als Demütigung, andererseits erfüllte es sie mit Freude, dass sie überlebt hatte, um ihren Sohn wiederzusehen. 

Heute lebt Beatrice Fernando in den USA. Sie ist eine der relativ wenigen, denen die Flucht aus der Versklavung durch Menschenhandel und die Rückkehr in die freie Gesellschaft gelungen ist. Die riesige Mehrheit hat dieses Glück nicht. 

Auf die Frage von Vision, ob sie noch Groll gegen diejenigen hege, die sie in die Sklaverei gebracht hatten, sagte Frau Fernando: „Ich hasse sie nicht. Ich nutze meine Erfahrung, um verhindern zu helfen, dass andere Frauen wie ich solchen Leuten in die Hände fallen.“

DIE DEFINITION DES PROBLEMS 

Wenn wir den Begriff Sklaverei hören, dann denken wir normalerweise an eine lang vergangene Zeit. Die schockierende Wahrheit ist, dass der Sklavenhandel immer noch blüht und gedeiht. (Vorsichtigen) Schätzungen zufolge plagen sich 27 Millionen Menschen in sklavenähnlichen Situationen. Wie die UNICEF-Geschäftsführerin Ann Veneman bei einer Menschenrechtskonferenz in Peking im August 2006 sagte: „Keine Nation oder Region ist immun.“ Das Problem kann national oder international sein und gleicht im Grunde dem Drogen- oder Waffenhandel. Der einzige Unterschied ist die Ware. 

Die dunkle Seite der Globalisierung ermöglicht es multinationalen kriminellen Vereinigungen, ihren Geschäftsbereich von Drogen- und Waffenhandel auf Geldwäsche und Menschenhandel auszuweiten.“ 

„Crime Prevention and Criminal Justice“, Un-Behörde für Drogen und Kriminalität

Das UNO-Übereinkommen gegen Transnationale Organisierte Kriminalität definiert Sklavenhandel oder Menschenhandel als „Rekrutierung, Verbringung, Übergabe, Verwahrung oder Entgegennahme von Personen“ mit Mitteln wie Bedrohung, Anwendung von Gewalt oder Zwang, Entführung, Betrug, Täuschung usw. „zum Zweck der Ausbeutung . . . [in Form von] Prostitution . . . oder sonstiger Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit, Sklaverei oder der Sklaverei ähnlicher Praktiken, Knechtschaft oder Organentnahme“. 

Das Übereinkommen besagt weiter, dass die Zustimmung des Menschenhandelopfers irrelevant ist und dass die Rekrutierung, Verbringung, Übergabe, Verwahrung oder Entgegennahme von Kindern unter 18 zum Zweck der Ausbeutung eine Menschenrechtsverletzung ist, auch wenn dabei kein Zwang ausgeübt wird. 

Klare Definitionen sind unabdingbar, damit Gesetzgeber, Polizei und Grenzschutz die Opfer von den Verbrechern unterscheiden und die Probleme genau in den Blick nehmen können. Die Realität ist, dass viele Formen von Menschenhandel bislang nicht anders gesehen wurden als dass Menschen ihre Heimat verlassen, um an einem anderen Ort, oft in einem anderen Land zu arbeiten. 

Grenzschutz und Polizei sehen Menschen, die über Landesgrenzen verschleppt werden, oft als illegale Einwanderer und somit Kriminelle statt als Opfer. Und von zwangsprostituierten Frauen wird meistens angenommen, sie übten diesen Beruf freiwillig aus. 

DIE VIELEN GESICHTER DER SKLAVEREI 

In den Jahren 1833-1834 wurde die Sklaverei im ganzen Britischen Empire abgeschafft, und 1865 in den USA. Heute erlaubt kein Staat offiziell, einen anderen Menschen als Leibeigenen zu besitzen. In der Praxis ist dies allerdings in den meisten Teilen der Welt verbreitet. 

Die potenziellen Quellen für Sklaven und die Bedingungen, die zu Sklaverei führen, haben seit dem Zweiten Weltkrieg erheblich zugenommen. Die Weltbevölkerung ist stark gewachsen, und gerade in den Ländern mit dem stärksten Wachstum floriert die Sklaverei. Zudem suchen Menschenhändler sich oft minderjährige Opfer, weil diese geistig und sozial unreif sind. 

Kevin Bales, der Vorsitzende der Organisation Free the Slaves mit Sitz in Washington, D.C. (siehe unser Interview mit Dr. Bales in dieser Ausgabe), umreißt drei Hauptfaktoren, die zur Entstehung des heutigen Sklavenhandels beigetragen haben: „Der erste ist die Bevölkerungsexplosion, die die Arbeitsmärkte der Welt mit Millionen armer und schutzloser Menschen überflutete. Der zweite ist die Revolution der wirtschaftlichen Globalisierung und der modernisierten Landwirtschaft, die arme Bauern enteignet und anfällig für die Versklavung gemacht hat. . . . Der dritte Faktor ist das Chaos aus Habgier, Gewalt und Korruption, das dieser wirtschaftliche Wandel in vielen Entwicklungsländern hervorgebracht hat - ein Wandel, der die gesellschaftlichen Normen und hergebrachten Verantwortungsbindungen, die potenzielle Sklaven hätten schützen können, zerstört.“ Er fügt hinzu: „Heute sind die Bedingungen für die Sklaverei weltweit gut“ (Disposable People: New Slavery in the Global Economy). 

Die International Labour Organization befasst sich mit dem Thema Sklaverei und definiert: „Als Zwangs- und Pflichtarbeit . . . gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.“ 

Bestimmte Arten von Arbeitsverhältnissen sind offenbar für diese Art Ausbeutung geeignet. Leih-arbeiter, Hausangestellte, Textil- und Landarbeiter sowie Fremdarbeiter, um nur einige zu nennen, leben und arbeiten in manchen Fällen unter Bedingungen, die auf Sklaverei oder Zwangsarbeit hinauslaufen. 

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat im März 2007 einen Bericht zum Thema Wanderarbeiter vorgelegt. Die Zahl der de facto rechtlosen Wanderarbeiter in China wird auf bis zu 200 Millionen geschätzt; die extrem geringen Löhne und Arbeitszeiten bis zu 14 Stunden täglich sind nur ein Teil des Problems. Da sie nicht an ihrem (in China vorgeschriebenen) Wohnort bleiben, verlieren die Tagelöhner auch ihren Krankenversicherungsschutz. „Millionen Kinder, die mit ihren Eltern in der Stadt leben, sind vom Besuch der staatlichen Schulen ausgeschlossen, weil ihre Eltern nicht gemeldet sind und keine Schulgebühren zahlen können“, heißt es zusätzlich im Bericht der Menschenrechtsorganisation.  

In Westeuropa werden immer wieder Fälle von Schwarzarbeiterkolonnen aufgedeckt, die unter teilweise erbärmlichen Bedingungen ihren kargen Lohn verdienen müssen. In allen Fällen, sei es Wanderarbeiter oder ausgebeutete Schwarzarbeiter, rechtfertigen sich die Arbeitgeber mit dem Hinweis, dass es den Leuten durch die Arbeit immerhin besser gehe als dort, wo sie herkommen. Auch ein zynischer Sklavenhändler der Vergangenheit konnte erklären, dass es einem Sklaven bei einem wohlwollenden Herrn in den meisten Fällen besser ginge als in den Elendsvierteln seiner Heimat und die ganze Angelegenheit der Sklaverei insofern nicht negativ zu bewerten sei. Aber wie heute waren die wirklich um das Wohlergehen ihrer Sklaven besorgten Herren eher die Ausnahme. Damals wie heute ging es bei Sklaverei nicht um das Wohlergehen der Sklaven, sondern um billige Arbeitskräfte. 

Das am weitesten verbreitete Beispiel von moderner Sklaverei ist die Schuldknechtschaft, von der laut der UN-Menschenrechtskommission weltweit 20 Millionen Menschen betroffen sind. Verzweifelt arme und schutzlose Personen und Familien fallen skrupellosen Arbeitgebern zum Opfer, die ihnen Geld für Lebensmittel, Medikamente, eine Hochzeit, eine Beerdigung leihen - zu Bedingungen und Modalitäten, die sie entweder nicht angeben oder nicht einhalten. So werden Menschen, die ohnehin ihre Familien nicht mit dem Nötigsten versorgen können, auf Gedeih und Verderb von Geldverleihern abhängig. 

Dann beginnt ein Teufelskreis - meistens erhöht der geldgierige Arbeitgeber den Zinssatz für das Darlehen oder addiert einfach Zinsen dazu; daneben stellt er Ausgaben für Dinge wie Lebensmittel, Medikamente, Fahrten und sogar das Werkzeug für die Arbeit in Rechnung, gewöhnlich zu weit überhöhten Preisen. Die Arbeiter müssen oft sehr viele Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche arbeiten; Ausfall wegen Krankheit erhöht ihren Schuldenberg. 

Nach Schätzungen der US-Regierung werden jährlich 800 000 bis 900 000 Personen weltweit Opfer des Menschenhandels, und 17 500 bis 18 500 werden in die USA verkauft. Die größte Gruppe der Opfer bilden Frauen und Kinder.“

Fact Sheet: „Distinctions Between Human Smuggling and Human Trafficking“ Überwachung und Bekämpfung von Menschenhandel im US-Aussenministerium), 1. Januar 2005

Bales berichtet von thailändischen Frauen, die als Fabrikarbeiterinnen in die USA gebracht wurden: „Ende 1995 wurden 68 Thais, zumeist Frauen, aus einer Billiglohn-Textilfabrik in Los Angeles befreit. Die meisten dieser Frauen waren tatsächlich Textilarbeiterinnen in Thailand und hatten Agenten für die Vermittlung guter Stellen in den USA bezahlt. Als sie ankamen, wurden ihnen die Pässe abgenommen, und sie wurden in Schuldknechtschaft gebracht. Sie wurden gezwungen, auf einem abgeriegelten Fabrikgelände zu leben und mussten 16 Stunden am Tag unter bewaffneter Bewachung arbeiten. Man sagte ihnen, sie hätten Schulden in Höhe von rund $ 5000 abzuarbeiten, und zahlte ihnen einen Tageslohn von knapp über $ 10, von dem die Kosten für ihr Essen abgezogen wurden.“ 

Es ist eine Milchmädchenrechnung, dass solche Arbeiterinnen ihre Schulden vielleicht nie abarbeiten können. Tragischerweise wird die „Rechnung“ oft an die Kinder weitgegeben, wenn die Eltern sterben, und in manchen Kulturen werden sie über Generationen vererbt.

KINDER IN KNECHTSCHAFT 

Eine noch tragischere Seite der Zwangsarbeit ist die Ausbeutung von Kindern. Ein erheblicher Anteil aller Opfer von Zwangsarbeit ist unter 18. Oft werden gerade sie gesucht, weil sie aufgrund ihres Alters angreifbarer, fügsamer und unwissender hinsichtlich ihrer Rechte sind. Manche werden schon mit sieben Jahren als Hausangestellte oder in der Landwirtschaft, in Steinbrüchen, Ziegeleien und Bergwerken eingesetzt, für einen Hungerlohn oder ohne Lohn. In den meisten Fällen erhalten sie weder eine Bildung noch Möglichkeiten zu spielen und wie ein normales Kind heranzuwachsen. 

Oft werden sie in vielfacher Weise ausgebeutet - mit langen, harten Arbeitstagen, wenig Ruhezeiten und körperlicher, verbaler, sogar sexueller Gewalt. Gruppen wie Anti-Slavery International (in Großbritannien) und Free the Slaves (ihre Schwesterorganisation in den USA) berichten, dass Kinder in Extremfällen an sieben Tagen pro Woche jeweils 14 oder mehr Stunden arbeiten, geschlagen werden und keine medizinische Behandlung bekommen. Als Hausangestellte müssen manche auf dem Küchenboden schlafen und bekommen nur die Reste der Familienmahlzeiten zu essen. 

Sehr besorgniserregend sind auch die Berichte über Entführungen kleiner Jungen und Mädchen für den Kriegsdienst. Die Bilder der Kindersoldaten mit Gewehren, die oft größer sind als sie selbst, treffen jeden, der noch einen Rest von Menschlichkeit in sich hat, tief ins Herz. Sie werden mit Gewalt oder anderen unlauteren Mitteln rekrutiert, manchmal religiös fanatisiert, und gezwungen, zu töten oder getötet zu werden. In Schlachten werden Kindersoldaten manchmal den gut bewaffneten Männern vorausgeschickt, um feindliches Feuer auf sich zu ziehen, oder sie werden skrupellos eingesetzt, um mit ihren eigenen Körpern Fallen und Minen aus dem Weg zu räumen.

SEXSKLAVEN 

Seit Jahren steht die sexuelle Ausbeutung im Mittelpunkt der Diskussionen über Menschenhandel. Weil sie sensationsträchtig ist, wird sie in den Medien stärker thematisiert; so hat man vielerorts die falsche Meinung, dies sei die einzige verbliebene Form von Sklaverei. 

Die Zwangsprostitution entführter oder getäuschter Frauen ist tatsächlich eine Form der Zwangsarbeit, die manchmal noch verheerendere Folgen haben kann als andere Formen. Meistens sind alle Faktoren der Zwangsarbeit auch in der Zwangsprostitution gegeben, doch hinzu kommt, dass die Zukunft der jungen Frauen - ihre Aussichten auf Ehe, Familie und ein normales Leben - noch düsterer sind. 

Viele dieser Mädchen stammen aus ländlichen Gebieten der Dritten Welt, wo die Arbeitslosigkeit höher und der Zugang zu Bildung geringer ist. In Westeuropa rekrutieren Geheimbordelle und zwielichtige Nachtklubs ihren Nachwuchs oft aus den armen und auf den Aufschwung durch den Anschluss an den Westen wartenden Ländern Osteuropas. Man verspricht ihnen Jobs als Models oder anständige Arbeit mit gutem Lohn, z.B. als Hausangestellte oder Kellnerinnen. Doch im Bestimmungsland angekommen, nimmt man ihnen ihre Papiere, ihre Identität und ihr Geld; ihre Pässe tauchen manchmal auf dem Schwarzmarkt auf. 

Menschenhändler und Zuhälter machen sich Sexsklaven mit Angst und Einschüchterung gefügig. Sie arbeiten mit Einsperren, Prügel und Morddrohungen (entweder gegen das Opfer oder seine Familie in der Heimat), zwangsweise verabreichten Drogen, Zwangsabtreibungen, Fesseln und sogar Aushungern. Das Ziel ist, die Person zu traumatisieren, um sie leichter kontrollieren zu können. Viele dieser Opfer akzeptieren einfach irgendwann ihre Situation und versuchen, es ihren Peinigern recht zu machen, nur um zu überleben. Andere ertragen ihre Lage in der Hoffnung, dass sich irgendetwas ändern könnte. Tragischerweise gibt es immer wieder einige, die den einzigen Ausweg aus ihrem Elend im Selbstmord sehen. 

Wenn ihre „Nützlichkeit“ aufgrund ihres Alters oder durch Krankheit (oft AIDS) endet, werden sie „entsorgt“ - hinausgeworfen auf die Straße, wo sie als illegale Einwanderer oder Kriminelle festgenommen und abgeschoben werden, sofern sie nicht von den Zuhältern ermordet werden. Falls sie in ihre Heimat zurückgelangen können, sind sie dann oft krank oder schwanger. Als gefallene Frauen werden sie von der Gemeinschaft geächtet und ausgegrenzt. Kaum ein Mann würde sie heiraten, und ohne Arbeit oder Bildung haben sie wenig Hoffnung im Leben. 

Die Mitarbeiter der zuständigen Behörden sind schockiert über das Ausmaß des Handels mit jungen Frauen in aller Welt und entsetzt über die Gefühllosigkeit und Brutalität, mit der sie behandelt werden.

DIE ÖKONOMIE DER SKLAVEREI 

Auch wenn heute in keinem einzigen Land mehr die Sklaverei von der Verfassung geschützt wird und die Anti-Sklaverei-Bewegung nun schon seit 200 Jahren Aufklärungsarbeit leistet, ist das Problem immer noch präsent. Die wirtschaftlichen Hintergründe des gegenwärtigen Wachstums von Menschenhandel und Sklaverei sind vielgestaltig und komplex. Einer der grundlegendsten ist natürlich der Profit. 

„Es geht nicht um den Besitz von Menschen im herkömmlichen Sinne der alten Sklaverei, sondern darum, sie vollständig zu kontrollieren. Menschen werden vollständig verfügbare Werkzeuge, um Geld zu verdienen.“

Kevin Bales, Disposable People

Ein Wachstumsfaktor für Menschenhandel und Sklaverei in allen Ausprägungen sind die geringeren Lohnkosten in Ländern der Dritten Welt: Unternehmen aus den reichen Ländern schließen ihre Produktionsstätten in den Hochlohnmärkten und verlegen sie in Länder mit einem großen Angebot an billigen Arbeitskräften, wo es noch dazu oftmals wenig gesetzliche Regelungen zum Schutz der Beschäftigten gibt. Oder es werden Zweigstellen in solchen Ländern errichtet, um von den niedrigen Produktionskosten und fehlenden Schutzgesetzen für die Arbeitnehmer zu profitieren. Viele Unternehmer rechtfertigen dies mit dem Überlebenskampf im globalen Kapitalismus. 

Natürlich kann man nicht behaupten, dass jede wirtschaftliche Tätigkeit in den Billiglohnländern automatisch zu Formen der Sklaverei und Ausbeutung führt - es gibt zweifellos Beispiele, wo alle Beteiligten profitieren. Aber es gibt zu viele negative Beispiele, von den Menschenrechtsorganisationen aufgedeckt, die einen bedauerlichen Trend aufzeigen. 

In der Vertriebskette des weltweiten Menschenhandels kann jede Ebene ihren Profit machen - allerdings mit Ausnahme der Sklaven oder Ausgebeuteten. Jeder verdient bei jeder Etappe: derjenige, der den Sklaven entführt oder rekrutiert; derjenige, der den Transport arrangiert; der Lieferant der falschen Papiere; die bestechlichen Polizisten und Grenzschützer; der Händler, der den Verkauf abwickelt, und der Käufer. In vielen Ländern umfasst das Netz der Bestechlichkeit und Korruption das Rechtssystem, die Polizei, kriminelle Vereinigungen und Unternehmen. Amtsträgern wird als Extrabonus durchaus auch Gratisbedienung in den Bordellen geboten. 

Die finanziellen Vorteile der Beschäftigung von modernen Sklaven sind groß: Man hat keine verpflichtenden Aufwendungen für Versicherung, Rentenbeiträge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Zulagen oder auch nur einen Lohn. Wenn die Arbeitskräfte aus irgendeinem Grund unrentabel werden, kann man sie wegwerfen wie jedes andere Konsumprodukt. Eine ideale Situation für solche Arbeitgeber, die Details wie Recht, Ethik oder Moral ebenso wenig anfechten wie Mitgefühl oder Anstand.

DER KERN DES PROBLEMS 

Ausbeutung von Menschen durch Menschen hat es immer gegeben. Das Wesen des Menschen ist ein Teil des Problems, doch wie wir unsere Verantwortung für alle Menschen sehen, hängt davon ab, wes Geistes Kind wir sind. 

Im Jahr 1776 war Sklaverei in allen 13 amerikanischen Kolonien legal und ein akzeptierter Wirtschaftszweig. Doch die Unabhängigkeitserklärung formulierte im selben Jahr beredt die Grundbegriffe der menschlichen Freiheit: „Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für klar an sich und keines Beweises bedürfend, nämlich: dass alle Menschen gleich geboren sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; dass zu diesem Leben Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehöre.“ Im Wesentlichen reagierten die Autoren der Erklärung damit auf das, was sie als Unterdrückung durch die britische Regierung empfanden. 

Im Lauf der folgenden Jahre verboten mehrere Bundesstaaten nacheinander die Sklaverei, und 1807 beschloss der Kongress die Abschaffung des internationalen Sklavenhandels. Allerdings brachte die Gesetzgebung nicht unmittelbar das Ende der Praxis, und in vielen Staaten des Nordens und des Südens gab es weiterhin unterschiedliche Formen der Sklaverei. Darum erinnerte Abraham Lincoln seine Zuhörer in der berühmten Gettysburg Address von 1863, am Höhepunkt des Bürgerkrieges, an die Gründung des neuen Staates: „aus Freiheit geboren und dem Gedanken geweiht, dass alle Menschen gleich geschaffen sind“. 

Die Unabhängigkeitserklärung und die Gettysburg Address bezogen sich auf viele biblische Prinzipien. Eins davon ist ein einfacher, aber praktikabler Grundsatz, der - würde er befolgt - das weltweite Problem Sklaverei und Menschenhandel lösen würde. Er drückt aus, wie Menschen miteinander umgehen sollten, und wird oft als die Goldene Regel bezeichnet: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ihnen behandelt werden wollt“ (siehe Matthäus 7, 12; Gute Nachricht Bibel). 

Einen weiteren Grundsatz der Bibel könnte man als „Gesetz der Vergeltung“ bezeichnen. Er findet seinen Ausdruck in den Sätzen „... was der Mensch sät, das wird er ernten“ (siehe Galater 6, 7), und „...wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und es gilt kein Ansehen der Person“ (Kolosser 3, 25). 

Würden diejenigen, die in die moderne Sklaverei verwickelt sind, den in Lukas 6, Vers 38 ausgedrückten Grundsatz gern auf ihr persönliches Leben angewandt sehen? Dort steht: „Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch wieder messen.“ Würden Männer, die zehnjährige Mädchen missbrauchen, ihren eigenen Töchtern eine solche Behandlung wünschen? Oder noch schärfer formuliert: Würden sie selbst unter solchen Bedingungen leben wollen? 

In der Bibel finden sich hierzu auch zwei interessante Prophezeiungen. Die erste charakterisiert diejenigen, die andere versklaven: „Das sollst du aber wissen, daß in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, . . . gottlos, lieblos, . . . zuchtlos, wild, dem Guten feind“ (2. Timotheus 3, 1-3). Dies beschreibt genau die Herzlosigkeit derer, die sich daran beteiligen, ihre Mitmenschen zu kaufen, zu verkaufen, auszubeuten und zu missbrauchen. Eine zweite Prophezeiung findet sich in Offenbarung 18, Vers 13, wo es heißt, dass die Waren mancher Händler auch „Leiber und Seelen von Menschen“ umfassen. 

Worte oder Statistiken können nicht die hoffnungslose Not und Verzweiflung beschreiben, die so viele jeden Tag erleiden - gefangen in Sklaverei der schlimmsten Arten. Die Gefühllosigkeit der Händler und derer, die diese Millionen von Unglücklichen kaufen und missbrauchen - die Missachtung ihrer grundlegenden Menschenrechte -, ist wahrhaft erschreckend. 

Mitfühlende, anständige Menschen überall müssen die organisierten Bemühungen zur Überwindung dieses Übels unterstützen. Um jedoch die Herzen derer zu wandeln, die in ihrer Selbstsucht den Armen, Benachteiligten und Schutzlosen so viel Leid zufügen, wird mehr nötig sein als menschliches Bemühen und staatliche Gesetze. 

Wir von Vision glauben, dass es notwendig ist, die Probleme auch von der geistigen Seite her grundlegend anzugehen - dazu ist eine neue Denkweise vonnöten, eine Hinwendung zu ewigen Werten.