Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht
Kann uns das Bäumepflanzen dabei helfen, die bevorstehende Klimakatastrophe, wie sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschreiben, abzuwenden?
„Von Greta Thunberg über Donald Trump und Airlines bis hin zu Ölgesellschaften – alle sind plötzlich verrückt nach Bäumen“, schreibt der BBC-Wissenschaftsredakteur David Shukman. Es ist unübersehbar: Bäume und Wälder sind ein brandheißes Thema geworden.
Um den Grund zu verstehen, müssen wir die Vergangenheit wie die Jahresringe eines gefallenen Baumes erforschen. Eine Studie von 1994 fasst unsere Geschichte mit Bäumen so zusammen: Im Wesentlichen betreibt der Mensch Raubbau an Wäldern, bis sie so geschädigt sind, dass sich dies negativ auf den Menschen selbst auswirkt. Oft folgt darauf ein Kulturwandel, der zu einer unterschiedlich weit gehenden Erholung der Wälder führen kann. Wenn aber daraus nichts gelernt wird, beginnt der Zyklus an der Stelle von Neuem.
Wie wir in Vision schon angemerkt haben, fehlt uns Menschen ein angemessenes Verständnis unserer Beziehung zur Natur. Generell ist Umweltfreundlichkeit eine nachrangige Priorität, und sie wird erst vorrangig, wenn der Raubbau beginnt, sich negativ auf unser eigenes Leben auszuwirken. Jahrzehnte der Entwaldung und der Schädigung von Wäldern tun jetzt genau das.
Eine Studie von 2021 hat nachgewiesen, dass Südostamazonien – Teil einer Landschaft mit der Hälfte der verbliebenen tropischen Wälder auf der Erde – inzwischen Kohlenstoff freisetzt, anstatt ihn zu binden. Das ist alles andere als normal. Normalerweise sind Wälder Kohlenstoffsenken, denn Bäume entziehen durch Fotosynthese der Atmosphäre Kohlendioxid (CO2) und speichern es. Aber bei einer neuen UNESCO-Erhebung von 257 Wäldern an Weltnaturerbestätten wurde festgestellt, dass Faktoren wie Brände, Rodung für Ackerbau und sogar Wirbelstürme zehn dieser Wälder zu Kohlenstoffquellen gemacht haben.
Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid in der Atmosphäre trägt durch den Treibhauseffekt schon erheblich zum Klimawandel bei. Daher wird die Notwendigkeit, die Durchschnittstemperatur auf der Erde um nicht mehr als 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu überschreiten, nun dringend. Wenn Wälder anfangen, mehr CO2 freizusetzen als sie absorbieren, dann ist dieses Ziel in ernster Gefahr.
Die Folgen des Klimawandels sind – gelinde gesagt – komplex, aber insgesamt negativ für alle und alles. Wir stehen an einem Punkt des Zyklus, an dem ein Kulturwandel nötig ist. Und ein Gedanke, der immer mehr Zugkraft entwickelt, ist die Wiederaufforstung (tatsächlich war das ein Thema bei der COP26-Klimakonferenz im November 2021). Kann das funktionieren?
Ein neues Blatt
Um den notwendigen Wandel zu bewerkstelligen, könnte es vernünftig sein, sich einen simplen, klaren Slogan auf die Fahnen zu schreiben: „Pflanzt mehr Bäume; bremst den Klimawandel.“ Und das ist im Wesentlichen die Botschaft, die viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten bewogen hat, mit in den „Krieg gegen den Klimawandel“ zu ziehen.
Die britische Regierung hat sich z. B. verpflichtet, jährlich 30.000 Hektar aufforsten zu lassen und bis 2025 über 500 Millionen Pfund für Bäume und Wälder in England auszugeben. Der YouTuber Jimmy Donaldson, aka MrBeast, hat eine Kampagne gestartet, um 20 Millionen US-Dollar einzusammeln, mit denen 20 Millionen Bäume gepflanzt werden sollen. Ein US-Gesetzesvorschlag, der Trillion Trees Act, hat zum Ziel, weltweit eine Billion Bäume zu pflanzen, als „ein pragmatischer Schritt, um den weltweiten Kohlenstoffemissionen entgegenzuwirken“.
Es muss doch gut sein, dass so viele plötzlich verrückt nach Bäumen sind, oder? Tatsächlich bestätigen die meisten Befürworter des Bäumepflanzens eilig, dass sehr viel mehr dazugehört, den Klimawandel anzuhalten oder ihn auch nur zu verlangsamen.
Aber Slogans und plakative Botschaften wirken eben motivierend. Fred Shapiro, Herausgeber des Yale Book of Quotations, merkt an, Slogans, Zitate, Redensarten, Mantras und Sprichwörter seien genau deshalb so populär und wirksam, weil sie Menschen miteinander und mit der Weisheit früherer Zeiten verbinden. Er zeigt allerdings auf, dass gerade ihre Einfachheit nicht nur Schlichtheit des Denkens bewirken kann, sondern auch Gruppendenken, dessen Anhänger komplexe Vorstellungen verwerfen und nicht darüber nachdenken, was sie tun. Wie die Bibel in Sprüche 19, 2 warnt: Eifer ohne Wissen ist gefährlich.
„Es gibt die Vorstellung, dass man einfach Land kaufen und Bäume pflanzen kann, aber das ist zu kurz gedacht – die Gefahr besteht, dass man damit mehr Schaden als Nutzen bewirkt.“
Die Wurzel des Übels
Ist es machbar, Millionen Bäume zu pflanzen? Vor allem aber: Ist es hilfreich?
Eine Studie von 2019 hat gezeigt, dass die Erde insgesamt weitere 900 Millionen Hektar Blätterdach tragen könnte, die 205 Gigatonnen CO2 speichern könnten – das Siebenfache des weltweiten heutigen Jahresausstoßes. Deshalb ein klares Ja – jedenfalls theoretisch ist es möglich, mehr Bäume zu pflanzen, und es könnte einen erheblichen Unterschied in der Bekämpfung des Klimawandels machen.
Aber wie funktioniert es in der Praxis, Bäume und Wälder zu erneuern?
Unter den popularisierten Methoden gibt es zwei Hauptkategorien: mit und ohne Steuerung durch den Menschen. Eine Untersuchung dieser gegensätzlichen Herangehensweisen mit Beispielen für beide und einer Prüfung des jeweiligen Für und Wider hilft, besser zu verstehen, warum Shapiro vor Schlichtheit im Denken warnte, und warum das Sprichwort über Eifer ohne Wissen so relevant ist.
Zu der ersten Kategorie bekennen sich die Verfechter der offensichtlichsten Vorgehensweise: neue Bäume zu pflanzen.
Die Organisation Plant-for-the-Planet, gegründet von Felix Finkbeiner, setzt sich z. B. für die Wiederaufforstung von Wäldern ein, primär in tropischen Regionen. Auf ihrer Website über das Projekt Yucatán-Renaturierung steht: „Plant-for-the-Planet konnte mehr als 22.500 Hektar ehemaliges Waldland erwerben. […] Heute arbeiten 150 Menschen zusammen, um dieses Ökosystem wiederherzustellen und bis zu 40.000 Bäume an einem einzigen Tag zu pflanzen. […] Das Hauptziel ist die Anpflanzung von 100 Millionen Bäumen in Yucatán in Gebieten, die durch Abholzung geschädigt wurden.“ Im Kontext der Verlangsamung des Klimawandels ist zu erwarten, dass jeder Baum im Lauf seines Lebens 200 Kilogramm CO2 bindet und speichert; das entspricht dem Ausstoß einer 800-Kilometer-Autofahrt.
An einer anderen Bewegung namens Bonn Challenge sind derzeit 61 Länder beteiligt. Sie begann 2011, und laut Bundesministerium für Umwelt hat sie „das Ziel, bis zum Jahr 2020 insgesamt 150 Millionen Hektar und bis 2030 mindestens 350 Millionen Hektar degradierter und entwaldeter Landfläche wiederaufzubauen“. Die Menge an CO2, die gebunden und gespeichert werden könnte, wenn ein solches Ziel erreicht würde, wäre phänomenal.
Allerdings wird „Pflanzt mehr Bäume; bremst den Klimawandel“ an dieser Stelle nuancierter.
Baumanpflanzungen sind der beliebteste Wiederaufforstungsplan der Bonn Challenge, aber bei 45 % ihrer Vorhaben geht es um Monokulturen – Plantagen einzelner Baumarten als gewinnbringende Unternehmung, Cash Crops. „Nachdem sie geerntet sind und das Land für die Neubepflanzung gerodet ist – in der Regel einmal pro Jahrzehnt“, so ein Artikel von 2019 in Nature, „wird der Kohlenstoff durch den Zerfall von Rückständen und Produkten der Plantagen (vor allem Papier und Spanplatten) wieder freigesetzt“. Und durch das Verfahren der Waldrodung selbst wird zusätzlich CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Der positive Nettoeffekt bezüglich Kohlendioxidbindung ist somit bestenfalls unerheblich.
„Anpflanzungen sind wirtschaftlich wichtig, aber sie sollten nicht als Wiederherstellung von Wäldern klassifiziert werden. Diese Definition muss dringend überarbeitet werden, um Monokulturplantagen auszuschließen.“
Schlimmer als kein Nettoeffekt durch das Pflanzen neuer Bäume ist natürlich ein negativer Nettoeffekt. So extrem war das Drängen, Bäume zu pflanzen, dass es in manchen Fällen tatsächlich negative Umweltauswirkungen hatte. In Chile schuf die Bezuschussung für Baumanpflanzungen einen perversen Anreiz, Bäume zu pflanzen, statt natürliche Waldbestände zu erhalten. Diese Politik hat von 1986 bis 2011 zu einem Verlust von Naturwäldern bei keinerlei Nettobindung und Speicherung von CO2 geführt.
Es scheint klar zu sein: Wenn Regierungen, Unternehmen und sogar gemeinnützige Organisationen sich verpflichten, mehr Bäume zu pflanzen, übersehen sie oft den größeren Zusammenhang.
Thomas Crowther, Koautor von „The Global Tree Restoration Potential“ (Science, Juli 2019), sagte der Zeitung The Guardian: „Ich habe nie in meinem Leben gesagt, wir sollten eine Billion Bäume pflanzen. Es macht den Eindruck, dass überall Plantagen sind. […] Die Idee, einzelne Bäume zu pflanzen, isoliert sie von den Mikroben im Boden, den Vögeln, den anderen Tieren und den anderen Pflanzen, die notwendig sind.“ Die Chance, uns von fachkundigen Leuten beraten zu lassen, ist da, wenn wir nicht vor lauter Eifer blind sind.
Damit kommen wir zu der zweiten grundsätzlichen Herangehensweise an die Wiederaufforstung, die am wenigsten mit menschlicher Steuerung zu tun hat: der Naturverjüngung.
Naturverjüngung oder passive Renaturierung bedeutet, dass man das Land sich selbst überlässt und es sich durch einen Nachrückprozess regeneriert: Rasch siedeln sich Pionierpflanzen an, die an ein Überleben unter schlechten Bedingungen angepasst sind und deren Samen entweder im Boden geschlummert haben oder aus benachbarten Biotopen eingebracht werden. Durch ihre Besiedelung verändern diese Arten das Biotop. Diese Veränderungen ermöglichen es anderen Arten, für die das veränderte Biotop besser passt, sich gegen die Pionierarten durchzusetzen. Dieser Prozess geht weiter, bis sich eine stabile Pflanzengesellschaft etabliert hat, in der eine geringe Zahl von Hauptarten vorherrscht. Dieser Zustand des Gleichgewichts ist die Klimaxgesellschaft: ein Wald, der an die örtlichen Gegebenheiten gut angepasst ist.
Eine britische Studie von 2021 hat nachgewiesen, dass eine passive Regeneration von brachliegendem Ackerland in der Nähe eines Waldes machbar ist. Darüber hinaus hat der oben erwähnte Nature-Artikel von 2019 gezeigt, dass Naturwälder „Kohlenstoff 40 Mal besser speichern als Anpflanzungen“.
„Unsere Studie liefert direkte empirische Belege dafür, dass passive Regeneration das Potenzial hat, ursprüngliches Waldhabitat zu sehr geringen Kosten und innerhalb relativ kurzer Zeithorizonte zu erweitern.“
Theoretisch ist natürliche Regeneration also die bessere Option für eine Verlangsamung des Klimawandels. Funktioniert sie in der Praxis?
Um 1961 tippte Kenneth Mellanby, Direktor eines Forschungszentrums im englischen Cambridgeshire, mit Schreibmaschine eine Notiz über ein vier Hektar großes Stück Ackerland, das neben einem alten Waldstück lag. Sie lautete: „Es könnte interessant sein, zu beobachten, was mit dieser Fläche geschieht, wenn der Mensch nicht eingreift. Wird sie wieder zu Wald werden, wie lange wird es dauern, welche Arten wird es darin geben?“ Die dort angebaute Gerste wurde in jenem Jahr noch geerntet, dann wurde das Feld umgepflügt und sich selbst überlassen. Nach 59 Jahren war aus dem Acker ein Wald mit geschlossenem Blätterdach geworden – fast 400 Bäume pro Hektar. Wie erhofft war es ein strukturell komplexer Wald, ähnlich wie benachbarte, alte Waldgebiete.
Die Begeisterung für diese Art Renaturierung nimmt zu; Galionsfiguren der Bewegung sind angesehene Umweltschützer wie George Monbiot, und Menschen aus allen Gesellschaftsschichten unterstützen sie. Vor Kurzem übergab der britische Umweltschützer Chris Packham dem Buckingham Palace eine Petition, in der er die Royal Family aufforderte, ihre Ländereien zu renaturieren. Die Petition war von 100.000 Menschen unterschrieben, unter ihnen Rowan Williams, der frühere Erzbischof von Canterbury.
Es scheint vernünftig, davon auszugehen, dass Umweltschützer die Probleme verstehen und folglich wissen, was sie tun. Kein Zweifel – sie sind die Experten, wenn es um die Umweltfaktoren gleich welcher Debatte geht. Berücksichtigt man aber auch sozioökonomische und politische Faktoren, sieht man, dass weder Bäumepflanzen noch Renaturierung allein wirklich tragfähig sind. Beide Herangehensweisen sind zu kurz gedacht und führen zu Gruppendenken. Und beide offenbaren die Notwendigkeit, den größeren Zusammenhang und die weiter reichenden Auswirkungen zu bedenken.
Ende der Fahnenstange
Der Kulturwandel, durch den plötzlich alle verrückt nach Bäumen sind, ist im Prinzip etwas Gutes. Anzuerkennen, dass wir den Hang zum Raubbau an Naturkapital haben, und eine richtige Beziehung mit der Umwelt entwickeln zu wollen, ist im Prinzip etwas Gutes. Allerdings können auch gute Absichten ausgebeutet werden.
Unter den an der Bonn Challenge beteiligten Ländern sind, wie bereits erwähnt, gewinnbringende Anpflanzungen der beliebteste Plan zur Wiederaufforstung. Bei diesen Staaten sind die Prioritäten somit klar. In anderen Fällen sind sie das weniger.
Ein Beispiel ist das Projekt REDD+ der UNO. „REDD“ steht für Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung), das „+“ für die Rolle des Waldschutzes, die nachhaltige Waldbewirtschaftung und den Ausbau des Kohlenstoffspeichers Wald in Entwicklungsländern. Länder, die ihre Wälder erhalten, werden dafür mit CO2-Emissionsrechten bezahlt, die sie dann anderen Ländern zum Ausgleich von deren Emissionen verkaufen können. Wenn Staaten und Unternehmen CO2-Emissionsrechte kaufen, statt ihre gesellschaftliche Verantwortung für eine aktive Verringerung ihres Schadstoffausstoßes zu übernehmen, kommen Zweifel an ihren guten Absichten auf.
Umweltverträglichkeit ist in der Regel weniger vorrangig als Gewinne, zum Teil weil der Wert von Naturkapital schwer zu quantifizieren sein kann. Daher besteht wenig Anreiz, das Problem bei der Wurzel anzupacken. Aber die breite Öffentlichkeit setzt Regierungen und Unternehmen zunehmend unter Druck, mehr für den Umweltschutz zu tun – so die 100.000 Demonstranten in Glasgow während des COP26-Gipfels.
Sich einfach zum Bäumepflanzen zu verpflichten, statt das Problem holistisch anzugehen, ist ein Beispiel für Greenwashing – es geht darum, Gesicht zu wahren, statt Wälder zu bewahren, und im Idealfall dabei auch die Gewinne zu steigern.
„Wenn es Unternehmen ernst ist mit dem Bäumepflanzen, dann müssen sie auf die Gemeinschaften achten, die mit ihnen leben, und nicht nur auf ihr eigenes Image.“
Selbst die Naturverjüngung oder passive Renaturierung ist sozioökonomisch und politisch nicht unproblematisch. Für einige klingt sie danach, dass Landwirte bezahlt werden, damit sie aufhören, das zu tun, wofür sie da sind, was unweigerlich die nationale Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln unmöglich macht. Deshalb hat die Renaturierung als Investitionsstrategie möglicherweise wenig Reiz. Dennoch machen Regierungen und Unternehmen ambitionierte Versprechungen, die CO2-Emissionen zu senken – ob aufrichtig oder als Versuch des Greenwashings.
Doch was geschieht, wenn die Ziele für Projekte wie Baumanpflanzungen und Wiederbewaldung nicht erreicht werden? Viele Menschen meinen, sie seien in einer Schlacht, um die Erde zu retten. Ohne klares Verständnis der Gesamtsituation kann ungebremster Eifer allerdings nach hinten losgehen oder sogar zu Extremismus werden.
Ein Gedanke keimt auf
Gibt es einen Weg, Wälder wiederherzustellen, ohne die negativen Auswirkungen der Monokultur, die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten der natürlichen Regeneration und die gesellschaftlichen Probleme des Greenwashings?
In This Can’t Be Happening von 2021 schreibt George Monbiot: „Ich werde daran arbeiten, das Wissen wiederzuerlangen, das ich verloren habe. Denn jetzt sehe ich, dass wir ohne die Macht des Erinnerns nicht hoffen können, die Welt zu verteidigen, die wir lieben.“ Er impliziert, dass mindestens einige der Lösungen für unsere Umweltprobleme in unserer Geschichte zu finden sein könnten.
Wir haben schon auf die Vergangenheit geschaut, um zu verstehen, warum so viele Menschen plötzlich verrückt nach Bäumen sind. Können wir auch auf die Vergangenheit schauen, wenn wir darüber nachdenken, wie unsere Wälder am besten wiederherzustellen sind?
In Großbritannien wurde bei den ältesten Wäldern bisher eine traditionelle Technik namens Niederwaldwirtschaft angewendet; sie beruht auf der Fähigkeit vieler Baumarten, nach dem Fällen aus ihren Stümpfen und Wurzeln neue Triebe zu bilden. Ein Baum mit einem einzigen Stamm wird im Winter gefällt, und im folgenden Frühling treibt der Baum daraufhin mehrere neue Stämme aus. Nach einigen Jahren werden diese geerntet, und der Zyklus beginnt von Neuem. „Das ist eine der am vollkommensten nachhaltigen Ressourcen und Ökosysteme, die der Mensch kennt“, behauptet der britische Gartenbauer Monty Don. Einzelne Flächen werden abgeholzt, und der Wald wird ein Fleckenteppich aus verschiedenen Phasen des Nachwachsens, sodass ein strukturell komplexes Waldgebiet entsteht. Das kommt nicht nur der Umwelt zugute: Das System hat auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorteile, denn die Forstwirtschaft bringt Arbeitsplätze, und das geschlagene Holz kann verkauft werden.
Eine Lösung ist also die Rückkehr zu den traditionellen Techniken der Forstwirtschaft für die Pflege und Bewahrung unserer Naturwälder, deren Prinzipien zu den ältesten der Menschheit gehören. Dies stellt den Glauben infrage, dass alles menschliche Tun der Umwelt schadet. Tatsächlich, so Monty Don, „ist das Bild des idealisierten Waldes als eines statischen, majestätischen Ortes, fest gegründet in Reihen reifer Bäume, vollkommen modern und nur das Ergebnis von Vernachlässigung“. Ohne Zutun des Menschen bricht das System Niederwaldwirtschaft zusammen. Der entscheidende Faktor? Wir brauchen Wissen aus unserer Geschichte, das unseren Eifer für die Wiederherstellung dieser nachhaltigen Ressourcen und Ökosysteme in vernünftige Bahnen lenkt.
„Wenn Wald nicht regelmäßig bewirtschaftet wird, neigt er zum Verschwinden – wie in den letzten 50 Jahren größtenteils geschehen. Niederwald wegzufressen und durch eine Kiefer- oder Lärchenplantage zu ersetzen, zerstört ihn so effektiv, als würde man ihn zubetonieren.“
In der Wissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass die Bewahrung bestehender Naturwälder nicht ausreicht, um den Klimawandel zu verlangsamen. Es braucht mehr Bäume und mehr Wälder. Doch wie oben erläutert sind Monokulturen nicht die Antwort, und der Wert von Naturverjüngung oder Renaturierung ist schwer zu quantifizieren, sodass manche argumentieren, das Land sollte besser genutzt werden, um Nahrungsmittel anstelle von Bäumen anzubauen.
Aber die Nutzung von Land muss kein Entweder-oder sein. Eine andere Art der Bewirtschaftung von Land ist Agroforstwirtschaft; sie kombiniert Bäume und Sträucher mit Feldfrüchten und Vieh und vermeidet den potenziellen Zielkonflikt zwischen Gewinn und CO2-Senkung. Eine Studie über 286 Agroforstwirtschaftssysteme auf insgesamt 37 Millionen Hektar in 57 Ländern ergab, dass die Ernteerträge um durchschnittlich 79 % höher waren. Des Weiteren kam eine Studie der European Agroforestry Federation zu dem Schluss, dass mit 50 bis 100 Bäumen pro Hektar Ackerland eine bis vier Tonnen CO2 pro Jahr und Hektar gebunden und gespeichert werden. Zur Veranschaulichung der Größenordnung: In Großbritannien beträgt der durchschnittliche Kohlendioxidausstoß pro Kopf und Jahr 5,5 Tonnen.
Kernholz
Bäume zu pflanzen ist etwas Gutes. Aber unser Vorgehen war bisher weitgehend an Extremen orientiert – an zu kurz gedachten Slogans und oft polarisiertem Gruppendenken. Der Mensch neigt dazu, andere Perspektiven als die eigene zu verwerfen und zu glauben: „Nur wir haben recht.“
Wahr ist aber auch, dass zündende Slogans Menschen miteinander und mit der Weisheit früherer Zeiten verbinden können. Vielleicht liegt die Lösung also in einer ausgewogenen Vorgehensweise, die Menschen und althergebrachte Weisheit ebenso einbezieht wie Bäume.
Eine solche Vorgehensweise könnte Schulungen umfassen, wie man Holz umweltverträglich aus bestehendem Niederwald erntet, anstatt neu anzupflanzen. Oder wie man die Grenzen zwischen der natürlichen und der vom Menschen geschaffenen Umwelt durchlässig macht, angefangen mit der Landwirtschaft, statt beides künstlich in Monokultur und Naturschutzgebiet aufzuteilen.
Wir werden Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei eindeutig nicht einstellen, denn sie bringen uns eine Menge Nutzen. Aber wir brauchen eine Vorgehensweise, die zu Ende gedacht ist, damit alle und alles jetzt und künftig davon profitieren – eine sanftere Vorgehensweise, gegründet auf Liebe zu unseren Nächsten und Sorge für die Umwelt, die uns alle erhält.