Massenproduktion und Konsumkultur

In den letzten hundert Jahren haben naturwissenschaftliche Durchbrüche und technische Innovationen das Leben der Menschen radikal verändert. Heute ist die Welt von materiellen Gütern überflutet, und immer mehr Menschen haben einen höheren Lebensstandard. Wir leben länger, haben immer ausgefeiltere Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien zur Verfügung und reisen weiter. Kurz: Wir sind die größten Konsumenten, seit es Leben auf der Erde gibt. Dennoch sind wir offenbar weniger glücklich und haben mehr Ängste. Ist unsere Konsumkultur kein Segen, sondern ein Fluch geworden?

Wir sind ständig von Industrieerzeugnissen umgeben. Fast alles, was wir in unserer Wohnung, unserer Garage, unserem Büro anfassen, ist Nebenprodukt eines intensiven und komplexen Produktionssystems: von der Kartoffel zu Kartoffelchips, von der Haut einer Kuh zum Sitzbezug, von Erdöl zum Plastikstift.

Wir leben in einer Welt der Massenproduktion. Kleidung, Möbel, Spielzeug, Autos, Lebensmittel: Alles wird in Fabriken hergestellt. Großen Fabriken. Irgendwo. Da nur wenige von uns an der tatsächlichen Herstellung dieser alltäglichen Dinge beteiligt sind, neigen wir dazu, ihr Vorhandensein für selbstverständlich zu halten, als ob sie einfach durch Zauberei in den Regalen unserer allgegenwärtigen Großmärkte erschienen. Wir denken kaum an den Bauern oder Landarbeiter auf dem Feld, der unsere frischen Lebensmittel anbaut, erntet und sortiert (und auch nicht an die riesigen integrierten Verarbeitungssysteme, die unsere gängigen, abgepackten Lebensmittel künstlich herstellen). Auf diese Weise ignorieren wir die Entstehungsgeschichte fast aller Dinge, die wir in unserem Alltag nutzen.

Aber benötigen wir diese Geschichte? Ja – und zwar aus mehreren Gründen.

DER PREIS DER IGNORANZ 

Das „gute Leben“ mit Textilien und Technik zu niedrigen Preisen – der Status quo des Westens – hat einen Preis, der von Arbeitern in anderen Teilen der Welt bezahlt wird. Die tragische Armut der ausgebeuteten Chiphersteller in China und der Näherinnen in Indien und Bangladesch wird gerade weltweit bekannt. Die jüngsten Nachrichten über die gefährlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen großer Massen von Menschen dürften nur die Spitze des Eisbergs sein. So, wie die mexikanischen Drogenbosse mithilfe der US-amerikanischen Nachfrage nach Marihuana und Betäubungsmitteln ihre Imperien aufgebaut und ihr Land gebrochen haben, haben die Chinesen große Teile ihres Landes, Bauernvölker und die Umwelt ihrer Städte ruiniert, als sie „made in China“ zum weltweit gängigen Begriff für „billig und leicht ersetzbar“ machten.

Dabei tut doch eine größere Verbundenheit mit den Dingen, die wir nutzen, unserer Psyche sehr gut. Etwas selbst herzustellen, ist eine Befriedigung; das Leben fühlt sich irgendwie erfüllter an, wenn man etwas selbst gemacht hat, statt etwas nur zu benutzen. Etwas mit eigener Hand herzustellen ist ein Mitwirken, das der bloße Verbrauch eines Produkts nicht bietet. Niemand muss heute einen Ölwechsel selbst machen, manche tun es aber noch; und Stadtbewohner freuen sich, wenn sie einen Garten haben, auch wenn sie nur ein paar Tomaten ernten können. Es ist kein Wunder, dass sich der Trend zum Handgemachten und zum Selbermachen ausgebreitet hat: Viele Menschen möchten wieder mit dem verbunden sein, was sie als eine einfachere und natürlichere Zeit ansehen. Es ist, als hätten wir ein Verlangen, Verantwortung für mehr zu übernehmen als nur für das Hingehen und Kaufen.

Dinge bekommen und Geld ausgeben ist das leidenschaftlichste, oft auch das phantasievollste Bestreben des modernen Lebens geworden.“

James Twitchell, „Two Cheers for Materialism,“ in The Consumer Society Reader 

Wie dem auch sei – laut dem Geschichtsprofessor William Leach hat die Entwicklung der modernen Konsumkultur von einem ganz anderen menschlichen Verlangen profitiert: der Habgier, dem maßlosen Habenwollen. Leach beschreibt „das Bild des Menschen als eine unersättliche, begehrliche Maschine oder als ein Tier, welches von einer Unendlichkeit von Begierden beherrscht wird“. Dieses Bild legt den Schluss nahe, dass es immer Nachfrage geben wird, wenn Angebot geschaffen werden kann. „Diesem Menschenbild zufolge ist das ,Menschlichste‘ am Menschen sein Streben nach dem Neuen, seine Bereitschaft, Grenzen zu verletzen, seine Abneigung gegen das Alte und das Gewohnte ... und sein Bedürfnis, sich ,mehr, mehr, mehr‘ anzueignen – Güter, Geld, Erfahrung, alles.“ (Land of Desire)

Habgier ist eine Versuchung, die uns mit Sicherheit alle betrifft. Wir neigen dazu, auf unser Denken hin zu handeln; und wenn wir an „nicht haben“ denken, schaffen wir kurzerhand eine Möglichkeit des „Habhaft-werdens“ (Jakobus 4, 1-2). Es ist nicht von geringer Bedeutung, dass die Zehn Gebote davor warnen, der Habgier nachzugeben, weil sich ihre Folgen rasch zu einem unkontrollierbaren Teufelskreis auswachsen (2. Mose 20, 17). In der Wirtschaft herrschen allerdings Gewinnstreben und die Gier nach immer höheren Bilanzsummen, und so ist dafür gesorgt, dass diese menschliche Schwäche ausgenutzt wird.

Der amerikanische Konsumkapitalismus hat eine Kultur hervorgebracht, die fast gewaltsam vergangenheits- und traditionsfeindlich ist; eine zukunftsorientierte Kultur des Habenwollens, die das gute Leben mit Gütern verwechselte“, fährt Leach fort. „Es war eine Kultur, die zuerst als alternative Kultur erschien – oder als eine, die großenteils im Widerspruch zu früheren Traditionen republikanischer Gesinnung und christlicher Tugend stand – und sich dann zur herrschenden Kultur der USA entwickelte.“

Doch das war sie nicht immer.

Kulturwandel 

Noch vor hundertfünfzig Jahren richteten die Menschen in den zumeist ländlichen Lebensräumen der Welt ihr Leben nach den Jahreszeiten aus, produzierten selbst das meiste, was sie brauchten, und blieben das ganze Leben in ihrer Heimat. Sie schätzten Stabilität, Sparsamkeit und Familie. Handgemachte Gegenstände wurden über Generationen vererbt; Gekauftes, wie Stoff oder Werkzeug, wurde gepflegt, repariert, für neue Zwecke wiederverwendet.

Doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte ein Kulturwandel ein. In den USA wich der gemessene Schritt des ländlichen Lebens dem eiligen Tempo des städtischen Handels. Der Historiker David Nye schreibt: „Die Entwicklung der USA zu einer hoch beschleunigten Gesellschaft begann spätestens im späten 18. Jahrhundert.“ (America’s Assembly Line) Zu diesem Wandel trugen mehrere Ereignisse bei:

Eine entscheidende Entwicklung in der Mitte jenes Jahrhunderts war die Aufteilung von Land in verkäufliche Flächenstücke. Durch diese Maßnahme der US-Regierung wurde Land zu einer Handelsware, einer standardisierten Ressource, die man kaufen, verkaufen und zur Schaffung von Wirtschaftswachstum ausbeuten konnte. Daraufhin entstand der Eindruck, Land sei, so Nye, „eine vorgestellte Anordnung austauschbarer und standardisierter Teile“.

Parallel zu diesem Wandel nahm die Fähigkeit zur Kommerzialisierung von Grundbesitz zu, denn die Eisenbahn – das originale Internet – erleichterte den Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom Land in die Stadt. Die USA wurden mit einem Netz von Straßen und Eisenbahnlinien überzogen, die Menschen begannen zu reisen und ihre Heimatorte und Verwandten zu verlassen. Reisen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts Wochen gedauert hatten, dauerten 1860 nur noch Tage. Die Zeit selbst – einst an die tatsächliche Stellung der Sonne zur Erde gebunden – wurde standardisiert, um das Reisen zuverlässiger und bequemer zu machen und sicherzustellen, dass Fahrpläne möglichst genau eingehalten wurden.

Durch die Erfindung von Telegraf und Telefon wurde Kommunikation für eine immer breitere Bevölkerung möglich. Unternehmen konnten Aufträge innerhalb von Stunden oder Tagen statt Wochen oder Monaten annehmen und ausführen. Geschwindigkeit, Standardisierung und unkomplizierter Transport veränderten die USA und ihre Wirtschaft.

Der Kommerz ist eher ein Spiegel als eine Lampe. Indem wir ihn verteufeln und uns selbst als hilflose, unschuldige Opfer seiner überwältigenden Macht sehen, ... offenbaren wir weit mehr über unseren eigenen Willen, angesichts von Komplexität passiv zu sein, als über die Sache selbst.“

James Twitchell, „Two Cheers for Materialism,“ in The Consumer Society Reader 

In den Mittelpunkt des nationalen Bewusstseins trat der Handel, und daraus ging die Konsumkultur hervor, schreibt Leach: „In den Jahrzehnten nach dem Bürgerkrieg begann der amerikanische Kapitalismus eine eigene Kultur zu entwickeln, ohne Verbindung zu traditionellen Familien- oder Gemeinschaftswerten, zu Religion in irgendeinem herkömmlichen Sinn oder zu politischer Demokratie. Es war eine weltliche, geschäfts- und marktorientierte Kultur; das Fundament ihres ästhetischen Lebens und moralischen Empfindens war der Austausch und Umlauf von Geld und Gütern. (...) Die wichtigsten Merkmale dieser Kultur waren Erwerb und Verbrauch als Mittel zum Glücklichsein, der Kult des Neuen, die Demokratisierung des Habenwollens und Geldwert als das vorherrschende Maß allen Wertes in der Gesellschaft.“

DIE ARBEIT ZUM ARBEITER BRINGEN 

Eine natürliche Folgeerscheinung dieses Denkens war das Fließband. Nye erklärt: „Eine neue Technologie wird von einem kulturellen Kontext entweder gefördert oder abgelehnt. Schon bevor Henry Ford geboren war, wurden Geschwindigkeit, Beschleunigung, Innovation, austauschbare Teile, Einheitlichkeit und Einsparungen durch Masse in den USA geschätzt; die Werte, die das Fließband dann verkörperte, waren schon im alltäglichen Leben verankert.“

Ford war nicht der Erfinder des Fließbandes, aber es waren seine Ingenieure, die zwischen 1908 und 1913 Innovationen, wie die Unterteilung in Produktionsabschnitte, austauschbare Teile, sequenziell angeordnete Maschinen mit nur einer Funktion sowie den Transport der Arbeit zu den Arbeitern durch mechanisierte Förderbänder, nutzten und weiterentwickelten. Wie Nye anmerkt, war eine andere wichtige Neuerung, die Elektrifizierung der Fabrik, „eine notwendige Voraussetzung, ehe diese Elemente einzeln verbessert und zu einer neuen Form der Produktion kombiniert werden konnten“. 1911 war alles beieinander und 1914 „war das Fließband voll in Betrieb“.

Der Produktivitätssprung mit der neuen Technik war beachtlich. 1909 hatten 14.000 Autos Fords alte Fabrik in der Piquette Avenue, Detroit verlassen. 1914 produzierte Ford mit dem Fließband in einem neueren Werk in Highland Park schon 248.000 Fahrzeuge.

Das waren erstaunliche Zahlen und diese neue Form der Massenproduktion erregte weithin Aufmerksamkeit. Bei der Weltausstellung 1915 in San Francisco spuckte ein funktionierendes Modell des Fließbandes Autos aus (das berühmte „Model T“). In Highland Park wurden Besucherführer engagiert, die Tausende von Neugierigen und Geschäftsleuten durch den komplexen Produktionsprozess führten.

Das Wort Konsum/Verbrauch hat seine früheren Konnotationen von verschlingen, verschwenden, aufbrauchen zunehmend verloren und ist zu einem Begriff geworden, der positiv auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Wünsche verweist.“

Stephanie Coontz, The Way We Never Were: American Families and the Nostalgia Trap

FORDS GRÖSSTE ERFINDUNG 

So revolutionär es war, wäre das Fließband vielleicht nichts weiter als ein Schritt in der Geschichte der Produktion gewesen, hätte es nicht Henry Fords wichtigste und bahnbrechende Idee gegeben. Er begriff, dass Produkte Käufer brauchen, und beschloss, seinen Arbeitern das Doppelte des damals gängigen Lohns zu zahlen. Fords Hauptziel dabei war es zwar, die Fluktuation seiner Belegschaft zu senken, aber er erkannte auch, dass seine Arbeiter mit höheren Löhnen mehr konsumieren würden.

Außerdem konnten mit der erhöhten Produktivität, die das Fließband ermöglichte, die Preise für Güter gesenkt werden. Die Kombination dieser beiden Faktoren – höhere Löhne und geringere Kosten von Massenware – bewirkte dann, dass Verbraucher aller Einkommensklassen Zugang zu einem höheren Lebensstandard erhielten.

Die Arbeiter im neuen Ford-Werk waren glücklich, einen stabilen Arbeitsplatz und bessere Löhne zu haben. Da der Preis des Model T tatsächlich von Jahr zu Jahr sank, konnten sie sich das Auto, das sie bauten, nun leisten, wie Nye anmerkt: 1910 war der beliebte Wagen noch für 950 Dollar verkauft worden und hätte einen durchschnittlichen Arbeiter den Lohn von 380 Tagen gekostet; 1921 dagegen war er für 397 zu haben. Bei Fords großzügigem Tagessatz von 5 Dollar entsprach das nur noch dem Lohn von 80 Tagen.

Der Vorteil der Massenproduktion – die Arbeit per Fließband zum Arbeiter zu bringen – wurde auch für andere Industrien und Produkte erkannt. „In den 1920er-Jahren kamen elektrische Bügeleisen, Staubsauger, Popcornmaschinen, Kaffeemaschinen und andere Haushaltsgeräte zu Millionen aus den Fabriken“, schreibt Nye. „1930 waren am Fließband hergestellte elektrische Ventilatoren, Radios und Waschmaschinen so verbreitet wie das Automobil.“

Die Begehrlichkeit der Verbraucher wurde mit verstärkter Werbung geweckt und die Nachfrage nach diesen neuen, preisgünstigen Produkten wuchs rasch. Massenmarketing wurde ein eigener Wirtschaftszweig, denn die Fertigungsindustrien erkannten, dass sie darauf angewiesen waren, dass die Verbraucher wiederkamen, damit sie weiter Geld verdienten. So wurden Markentreue und Kundenvertrauen ebenfalls zu Handelsgütern.

Bald war es ein relativ einfaches Unterfangen, bestehende Produkte geringfügig abzuwandeln und sie dann als neu und verbessert anzupreisen, sodass die Verbraucher das Gefühl bekamen, sie bräuchten die neueste Version. Dieser geplante Wertverlust bedeutete allerdings nicht, dass die Produkte nach einer bestimmten Zeit nicht mehr funktionierten. Ein bestens funktionierendes, fünfjähriges Auto galt nur hinsichtlich seiner Ausstattung als veraltet. Harley Earl, der einstige Chefdesigner von General Motors, wird oft mit folgender Aussage zitiert: „Der große Job ist es, die Veralterung zu beschleunigen. 1934 war die durchschnittliche Besitzdauer eines Autos fünf Jahre; jetzt [1955] sind es zwei Jahre. Wenn es ein Jahr ist, dann haben wir das perfekte Ergebnis.“ Die Vorstellung, den Verbrauchern eine Auswahl zu bieten, war oft eine Masche, damit sie weiter Geld für Dinge ausgaben, die nicht wirklich ersetzt werden mussten.

KONSUM FÜR DAS VATERLAND 

Massenproduktion war von Anfang an auch von nationaler, politischer Bedeutung. Im Ersten Weltkrieg wurde Massenproduktion als „dringend notwendig“ anerkannt, schreibt Nye, „und Staaten gaben Waffenschmieden, die Massenproduktion beherrschten, lukrative Aufträge“. Bald folgte in den USA die Depression, die alle Bereiche der Wirtschaft in Mitleidenschaft zog. Mit Produktion und Konsum ging es bergab. Doch mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg kam die Massenproduktion wieder in Schwung und auch dieses Mal diente sie der Kriegsführung: „Das Fließband [wurde] das Arsenal der Demokratie“, das garantierte, dass „den USA nie die Lastwagen, Schiffe, Flugzeuge, Waffen oder Versorgungsgüter ausgehen würden“, die sie zur Kriegsführung brauchten.

Als der Krieg beendet war, produzierte die Industrie wieder für den Konsum und wurde, so Nye, „der Garant für Wohlstand und Demokratie“. Er zitiert eine Ausgabe der Saturday Evening Post aus der Nachkriegszeit, die Amerika zum „letzten Bollwerk der Zivilisation“ erklärte und ein Loblied auf Amerikas „Massenbeschäftigung, Massenproduktion, Massenwerbung, Massenvertrieb und Massenbesitz an den Produkten der Industrie“ sang.

Die Wechselwirkungen zwischen Massenproduktion und Massenkonsum haben eine volkswirtschaftliche Verbindung geschaffen, die ebenso wichtig wie störanfällig ist. Als die USA im September 2001 angegriffen wurden, bat der damalige Präsident George W. Bush die Bürger, „sich weiter an der amerikanischen Wirtschaft zu beteiligen und auf sie zu vertrauen“. Zwar sagte er den Menschen nicht direkt, sie sollten einkaufen gehen, aber seine Worte ermunterten die Bevölkerung, ihr normales Leben weiterzuführen, und dazu gehörte natürlich auch eine Fahrt zum Einkaufszentrum.

WEG VOM LAUFBAND 

Die globale Wirtschaft und die Massenproduktion haben sich offenbar zu der Ethik des Konsums verbunden. Daraus ergibt sich ein Dilemma: Unseren Konsum zu drosseln, scheint gleichbedeutend mit volkswirtschaftlichem Selbstmord. Doch mit immer höherem Tempo so weiterzumachen – einem Tempo, das dem Wachstumsmodell steigender Gewinne, Löhne und Beschäftigungszahlen gerecht wird –, erfordert mehr Rohstoffe, Energie und Kapital. Und das Schlimmste daran ist: Dieses Modell setzt auf den niedrigsten gemeinsamen Nenner des Menschseins.

Der Geschichtswissenschaftler Leach schließt seinen Überblick über die Entwicklung der amerikanischen Konsumgesellschaft mit einem Aufruf an die Verbraucher, sich zu verweigern: „den Werten des Business, dem Kult des Neuen, dem ständigen Streben nach bloßer Bequemlichkeit“, die das Fundament der „Kultur des Habenwollens“ seien. Wie schon andere Kritiker vor ihm argumentiert er, uns allen würde es besser gehen, wenn wir von dem Laufband des Konsumierens abstiegen und etwas anderes suchten: „eine größere Vision von der Bedeutung des Menschseins, eine umfassendere Wahrnehmung des Seins“. Wir sollten uns zusammentun in der „Weigerung, Haben und Nehmen als den Schlüssel zum Sein oder gleichbedeutend mit Sein zu akzeptieren“.

Wir sind nicht wider besseres Wissen in diese Welt materieller Nähe geführt worden. Für viele von uns, insbesondere junge Menschen, ist Konsumdenken unser besseres Wissen. Wir haben nicht nur darum gebeten, diesen Weg zu gehen, wir haben es gefordert.“

James Twitchell, „Two Cheers for Materialism,“ in The Consumer Society Reader 

Hierin kommt Leach einem noch älteren historischen Bericht nahe. Jesus sagte, das Leben sei nicht die Summe dessen, was man besitzt (Matthäus 4, 4) und es sei die Pflicht des Menschen, etwas Höheres als nur materielle Dinge zu suchen (Matthäus 6, 33).

Es geschieht leicht, dass man sich in den Konsum um des Konsums willen verstrickt. Wie schon aufgeführt, werden wir ja von vielen Seiten ermuntert, genau das zu tun. Doch sollten wir lernen, die richtigen Prioritäten zu setzen. Habenwollen, Bekommen und Besitzen sind nicht der Sinn des Lebens (Lukas 12, 15-21). Der Wunsch, dass alle Menschen einen anständigen Lebensstandard haben, ist sicher löblich; Dinge sind an sich auch nicht notwendigerweise schlecht und ein System der Massenproduktion, das die Bedürfnisse der Massen deckt, ist nicht im Wesentlichen böse. Doch wie Nye schreibt: „Das Fließband ist nicht das ideale Instrument, um Genügsamkeit zu fördern oder den Konsum zu minimieren.“

Wir müssen zu dem Schluss kommen, dass mehr haben uns irgendwann nicht mehr gibt. Im Gegenteil, das Habenwollen lässt unser Gefühl für den inneren Wert des Menschen verkümmern und überträgt es auf Dinge. Das entwertet menschliche Beziehungen, ob nah oder fern. Wie Süchtige können wir in eine Abwärtsspirale der finanziellen, aber auch der geistigen Konsumentenverschuldung geraten. Es ist eine Todesspirale.

Sind wir bereit, von diesem Band abzusteigen?