Männer als Götter
In dieser neuen Serie werden wir ein Phänomen untersuchen, das sich durch die gesamte Geschichte zieht: das Verlangen einiger Männer, göttliche Retter zu werden, und die Neigung der Menschen, sich ihnen anzuschließen und sie zu unterstützen, sodass ihre Herrschaft legitimiert und ihre Allmachtsphantasien bestätigt werden. Auch werden wir sehen, dass bei diesem Streben nach Vergöttlichung nur zu oft die Religion für eigene Zwecke benutzt und manipuliert wird. Diejenigen, die sich als Götter ausgeben oder dies einfach aus politischen Gründen vorgeben, beanspruchen für sich oft eine einzigartige Sonderstellung, den Status eines Übermenschen oder die Fähigkeit, höchstes Recht zu schaffen. In ihrem Wahn werden sie zu falschen Messiassen.
Gegen Ende seiner Regierungszeit stellte sich der in Ausschweifungen schwelgende römische Kaiser Nero (54-68 n.Chr.) gegen den Bau eines Tempels für ihn selbst als Gottheit, aber dies schien im Widerspruch zur herrschenden Gesellschaftsordnung zu stehen. Der Kaiserkult war ein Teil des römischen Alltags geworden, und Nero schien sich mit einer solchen Erhöhung immer rascher anzufreunden. War seine Ablehnung ein Zeichen dafür, dass dieser überhebliche und grausame Herrscher endlich demütig geworden war?
Wohl eher nicht - es spricht einiges dagegen. Nero begründete seine Ablehnung zwar mit der geltenden Regel, dass nur tote Kaiser Götter werden konnten. Doch bereits zehn Jahre zuvor hatte er dem Senat gestattet, eine gleich große Statue von sich selbst neben dem Gott des Krieges im Tempel des rächenden Mars aufzustellen. Außerdem ist er auf Münzen aus seiner Zeit mit dem Strahlenkranz eines Gottkaisers und als Sonnengott Apollo dargestellt.
Sollte das nicht genügen, um zu beweisen, dass der Kaiser von der Idee der Göttlichkeit seiner selbst fasziniert war (ungeachtet der Frage, ob er sich nun wirklich für einen Gott hielt oder dies nur vorgab), so dürften die Ereignisse um den Besuch des armenischen Königs Tiridates in Rom die Skeptiker überzeugen. Tiridates war außerdem ein parthischer Magus, ein Priester des Mithraskults. Da er sich dem römischen Heer ergeben hatte, durfte er als Vasall auf seinem Thron bleiben, doch Neros Interesse galt ihm als Magus - er hielt ihn für einen Zauberer. Und Nero liebte Magie. Noch faszinierender war, dass Mithras der Gott des Lichts war und daher oft mit der Sonne identifiziert wurde. Als der armenische König Nero im Jahr 66 besuchte, kniete er vor ihm nieder und sprach ihn als „Herr“ und „Gott“ an. Damals sah sich Nero offenbar schon der Göttlichkeit nahe. Der römische Senator und Geschichtsschreiber Cassius Dio berichtete im 3. Jahrhundert, Nero habe dem König geantwortet: „Du hast wohl daran getan, persönlich hierher zu kommen, damit du von Angesicht zu Angesicht meine Gnade erfahren kannst. [ . . . da] ich die Macht besitze, Königreiche wegzunehmen wie auch zu verleihen.“ (Römische Geschichte 63.5.3). Kurz darauf wiederholte der Priester des Lichtgottes seine Worte der Huldigung in einer prunkvollen und sorgsam in Szene gesetzten, öffentlichen Zeremonie, während die aufgehende Sonne Neros Gesicht erleuchtete und ihn, wie es schien, zum neuen Sonnengott machte.
Obwohl Nero wahrscheinlich mehr ideologisch als religiös an den Göttern interessiert war, steht außer Frage, dass er von der Sonne besessen war. Über seine Identifikation mit Apollo, dem Lautenspieler, dem Gott der Musik, zum Gott der unbesiegbaren Sonne (Sol invictus) und dem Gott der Wagenrennen, bis zu Phoebus Apollo, dem Lenker des Sonnenwagens, wurde Nero im Lauf seines Lebens ein Multiplum des Sonnengottes. Im Jahr 60 war er bereits ein göttlicher Lautenspieler, Sänger und Wagen-Rennfahrer mit goldenem Haar. Er war der Initiator eines Goldenen Zeitalters. Er war der neue Apollo und Sol, gekrönt mit einem Diadem aus Sonnenstrahlen. Und doch war er auch volksnah, scheute die Göttlichkeit, trat in Theaterstücken auf, sang in der Öffentlichkeit.
Mit seinen manchmal ambivalenten Vorstellungen vom Göttlichen stand Nero durchaus nicht allein, denn römische Kaiser vor ihm und nach ihm taten ähnliche Dinge: Sie scheuten und beanspruchten die Göttlichkeit zur gleichen Zeit. Der rote Faden der Vergötterung zieht sich durch die Jahrhunderte - als Bedürfnis der Beherrschten wie als Versuchung für die Herrscher.
SPURENSUCHE
Der römische Kaiserkult begann mit Julius Caesar (46-44 v.Chr.), der ihn von den Griechen gelernt hatte. Die Griechen wiederum hatten ihn von den Ägyptern und Babyloniern übernommen. Caesar suchte sich als lebenslanger Herrscher zu legitimieren, indem er behauptete, göttlicher Abstammung zu sein. Sein Vorschlag, ihn schon zu Lebzeiten als Gott und Nachfahre der Göttin Venus zu verehren, stellte sich als schwerwiegender Fehler heraus. Diese offenkundige Anmaßung, kombiniert mit dem Ehrgeiz römischer Patrizier, führte dazu, dass er von einer Gruppe unter der Führung der Senatoren Brutus und Cassius ermordet wurde.
Doch es dauerte nicht lange, bis Julius Caesars Wunsch nach Göttlichkeit posthum in Erfüllung ging. Sein Neffe und Adoptivsohn Oktavian, der später Caesar Augustus wurde (27 v.Chr.-14 n.Chr.), rief seinen Vater zum Divus Iulius (göttlichen Julius) aus, baute ihm einen Tempel und stellte seine Statue zu den römischen Göttern der Antike im Pantheon des Agrippa. Dem römischen Italien verweigerte Augustus das Recht, ihm die göttlichen Ehren zuteil werden zu lassen, die er seinem Vater verliehen hatte, und bekannte offen, dass er kein Gott sei. Dagegen ließ er es zu, dass seine ägyptischen Untertanen ihn als Gott anerkannten und dass im Oströmischen Reich Tempel für ihn gebaut wurden. In diesen von Italien weit entfernten Gebieten wurde er als „Retter“ und „Wohltäter“ verehrt.
Augustus' Nachfolger Tiberius (14-37) mochte die Erhebung in den Stand eines Gottes für sich selbst nicht akzeptieren, gewährte dies aber bereitwillig seinem Vorgänger, den er „den göttlichen Augustus“ nannte. Dennoch erschien Tiberius während seiner Regierungszeit auf einigen Münzen als divus und wurde in einem Dokument aus dem Jahr 37 als „Sohn des Gottes“ bezeichnet.
Es war der nächste Kaiser, Gaius mit dem Beinamen Caligula (37-41), der den letzten Schritt tat und verlangte, in Rom angebetet zu werden. Eine Krankheit am Anfang seiner Regierungszeit hatte offenbar Caligulas geistiges Gleichgewicht angegriffen.. Er hielt sich für eine Verkörperung des Göttervaters Jupiter, erklärte sich zur Inkarnation aller früheren römischen Götter und Göttinnen und hüllte sich gewöhnlich in deren Gewänder.
Erzürnt über die Weigerung der Juden in Alexandria, in ihren Synagogen Caligulas Statue aufzustellen und anzubeten, wies er seinen Gesandten in Syrien an, sein Bronzestandbild im Tempel in Jerusalem aufzustellen. Diesen Befehl widerrief der Kaiser zwar, doch war er in seinem Größenwahn und seiner Egozentrik dem späteren Nero nicht unähnlich. Diese beiden Merkmale drückten sich in beiden Männern in enormer Selbstverherrlichung und Selbstüberschätzung aus.
Männer, die Freude daran haben, Gott zu spielen, bis sie ein Gott werden, gibt es in der menschlichen Gesellschaft schon lange, und oft auf der Führungsebene. Politiker, die die Macht der Religion nutzen, um andere zu versklaven, sind keine Seltenheit. Was sich im Römischen Reich mehrmals wiederholte, nachdem der Kaiserkult etabliert war (siehe Kastenartikel „Erfundene Götter“), diente auch späteren Herrschern in anderen gesellschaftlichen und politischen Ordnungen als Beispiel.
Männer, die Freude daran haben, Gott zu spielen, bis sie ein Gott werden, gibt es in der menschlichen Gesellschaft schon lange, und oft auf der Führungsebene.
PARALLELE BABYLON
Nach der Ermordung Caligulas wurde Claudius Kaiser, und ihm folgte Nero. Es ist überliefert, dass Nero gegen Ende seiner Regierungszeit eine über 36 Meter hohe Bronzestatue von sich selbst als Sonnengott aufstellen ließ. Dies ist in der Forschung zwar umstritten, entspricht jedoch der Art von „Öffentlichkeitsarbeit“, die Nero unternommen hätte (siehe Kastenartikel „Der Koloss des Nero“). Wenn er eine solche Statue tatsächlich in Auftrag gegeben hatte, dann hatte sein Verhalten auffallende Ähnlichkeiten mit dem eines anderen Herrschers in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort. Die Bibel berichtet, dass rund 650 Jahre zuvor der babylonische König Nebukadnezar ein 27 Meter hohes goldenes Standbild in einer nahe gelegenen Ebene errichtet hatte (vgl. Daniel 3). Er befahl allen seinen Untertanen unter Androhung der Todesstrafe, dem großen Bild zu huldigen. Was genau es darstellte, ist nicht ausdrücklich angegeben, doch einige Bibelwissenschaftler glauben, dass es wahrscheinlich ein Abbild Nebukadnezars selbst war - eine Version der ungewöhnlichen, aus verschiedenen Elementen bestehenden Statue, von der der König geträumt hatte und die der junge jüdische Prophet Daniel gedeutet hatte (vgl. Daniel 2). Daniel hatte gesagt, dass der goldene Kopf der Statue für Nebukadnezar und sein babylonisches Reich stand. Es ist keine abwegige Spekulation, dass dadurch der bereits enorme Stolz des Königs durch Daniels Traumdeutung noch verstärkt wurde und dass nun die Vergöttlichung in irgendeiner Form seine Leidenschaft wurde; daher ein goldenes Standbild von ihm selbst, das alle anbeten mussten. Das Buch Daniel zeigt dann, dass der König in seinem Stolz glaubte, er selbst sei der Urheber seines Erfolgs - er sei gewissermaßen Gott ebenbürtig - und dass er dafür sieben Jahre lang in einen egomanischen Wahnsinn verfiel (vgl. Daniel 4).
Der König in seinem Stolz glaubte, er selbst sei der Urheber seines Erfolgs – er sei gewissermaßen Gott ebenbürtig.
Die babylonische Priesterschaft, die tatsächlich aus chaldäischen Magiern bestand, hatte eine Methode entwickelt, den König durch die Religion unter Kontrolle zu halten. Eine Zeremonie bei der Amtseinsetzung des Königs hob seine Beziehung zu dem obersten babylonischen Gott Marduk hervor. Das Abbild des Gottes stand in einem Tempel an der Spitze einer rund 90 Meter hohen Zikkurat (Stufenturm) in Babylon. Wie bei dem früheren biblischen Turm zu Babel (griech. Babylon, vgl. 1. Mose 11) hatten ihre Erbauer die Idee, den Himmel selbst herauszufordern, indem sie himmelwärts bauten. Im Inneren des Tempels empfing der König symbolisch seine Autorität von Marduk, indem er die Hände der Statue ergriff. So wurde er ein Sohn des Gottes und war verpflichtet, die Priester zu schützen. Infolgedessen hatte das babylonische Volk seinen König lange als göttlich angesehen. Belege für die babylonische Vorstellung von der Beziehung zwischen König und Gott wurden bei Ausgrabungen des antiken Babylon in Form eines Keilschriftdokuments gefunden, auf dem steht: „Nebukadnezar, König von Babylon, der fromme Fürst, eingesetzt durch den Willen Marduks, der höchste Priesterfürst“.
VON BABYLON NACH ROM
Die Verbindung zwischen Babyloniern, Griechen und Römern beim Thema „Männer als Götter“ ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Ideen von einer Kultur in eine andere übergehen. Als das babylonische Reich im Jahr 539 v.Chr. an die Perser fiel, zeigten sich die neuen Herrscher zunächst der babylonischen Religion und ihrer chaldäischen Priesterschaft gegenüber tolerant. Doch dann verärgerten die Priester die Perser. Um ihre versteckte politische Macht zu erhalten, setzten sie einen aus ihren eigenen Reihen als Herrscher über Babylon ein, einen Priester, der sich als Smerdis, Bruder des Königs, ausgab. Der Betrüger wurde entlarvt und von den Persern getötet. Als Folge eines Aufstands, bei dem die Priester erneut ihren eigenen babylonischen Herrscher einsetzten, kam der Perserkönig Xerxes im Jahr 487 v.Chr. nach Babylon und zerstörte es. Dabei schleifte er auch die Tempel und entfernte das Standbild des Marduk.
Man nimmt an, dass die babylonischen Priester um diese Zeit, um 480 v.Chr., die Stadt verließen und ihre Basis verlegten. Einer Quelle zufolge „flohen die besiegten Chaldäer nach Kleinasien und errichteten ihr Zentrum in Pergamon; das Palladium von Babylon, den würfelförmigen Stein, nahmen sie mit. Hier übten sie, unabhängig von staatlicher Kontrolle, die Riten ihrer Religion weiter aus“ (William B. Barker, Lares and Penates: or, Cilicia and Its Governors, Ingram, Cooke und Co., London, 1853). Nachdem sie sich in Pergamon niedergelassen hatten, etablierten die Babylonier natürlich wieder ihre Religion. In einem Artikel über den Gott Bel, der auch Marduk genannt wurde, merkt das Bibellexikon Anchor Bible Dictionary an: „Es ist wahr, dass Bel-Marduk ziemlich unter der Degradierung gelitten haben muss, vom Feind besiegt worden zu sein, doch es ist auch wahr, dass der persische Eroberer in religiösen Fragen Milde walten ließ, sodass Bel trotz der Schande seiner Machtlosigkeit im babylonischen Debakel überlebte und sein Vermächtnis an die hellenistische und römische Welt weitergab.“ Auf diese Weise drangen uralte Praktiken in andere Kulturen ein.
DIE BEDEUTUNG PERGAMONS
Die frühe Geschichte der Stadt Pergamon liegt etwas im Dunkeln. Der griechische Geschichtsschreiber Xenophon (um 428-354 v.Chr.) erwähnt, dass der abgesetzte König Demaratus von Sparta irgendwann nach 490 v.Chr. Berater des Königs Xerxes wurde. Weiter berichtet er, dass die Verwandten des Spartanerkönigs unter anderem in Pergamon Land erhielten, vielleicht als Anerkennung für Demaratus' Dienst bei Xerxes. Bedeutend wurde die Stadt jedoch erst nach der Eroberung Asiens durch Alexander den Großen (334-323 v.Chr.). Mit der Blüte seines griechisch-makedonischen Reiches wurde Pergamon ein wichtiges militärisches und politisches Zentrum.
Stand Alexander im Bann der mächtigen chaldäischen Religion? Hierzu schreibt Barker: „Die Chaldäer in Pergamon intrigierten gegen den Frieden des Persischen Reiches und verschworen sich zu diesem Zweck mit den Griechen. Sie porträtierten Alexander als göttliche Inkarnation, und ihre List trug ebenso viel zum Sturz der persischen Macht bei wie die Tapferkeit der Griechen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dies ist ein interessanter Hinweis, dass die Chaldäer nicht aufhörten, politisch-religiös Einfluss auszuüben, und ihre Präsenz in das nächste Weltreich einbrachten. Bedeutsam ist, dass Alexander - vielleicht aus Dankbarkeit - plante, Babylon seine einstige Größe wiederzugeben und es zu seiner Hauptstadt zu machen. Er starb dort im Jahr 323 v.Chr. und konnte seinen Traum nicht verwirklichen. Doch die Vorstellung, dass ein Mann ein Gott werden konnte, hatten die babylonischen Priester an Alexander und seine Nachfolger weitergegeben.
In den beiden folgenden Jahrhunderten wuchs Pergamons Prestige, und unter der Dynastie der Attaliden erreichte es seinen Höhepunkt. Attalus I. schloss im Jahr 212 v.Chr. einen Bund mit Rom, und das Wohlergehen der Stadt war für viele Jahre gesichert. Doch sein Nachkomme Attalus III. hatte keinen Erben, und so vermachte er die Stadt dem Römischen Reich, ehe er 133 v.Chr. starb.
Während der gesamten rund 350 Jahre nach der Gründung Pergamons behielten die Nachkommen der babylonischen Priesterschaft offenbar ihre Rolle im religiösen Leben der Stadt. Bibelwissenschaftlern zufolge machten die Priester Pergamon jedoch nicht zu ihrem endgültigen Sitz. Als die Stadt an Rom fiel, suchten sie das neue Machtzentrum auf und zogen auf die italienische Halbinsel. Im heidnischen und später christianisierten Römischen Reich konnten sie einige ihrer alten chaldäischen Praktiken fortführen.
War dies der Beginn für die Vorstellung vom „Menschen als Gott“, die sich die Römer seit Julius Caesar zueigen gemacht hatten?
War dies der Beginn für die Vorstellung vom „Menschen als Gott“, die sich die Römer seit Julius Caesar zueigen gemacht hatten? Und ist diese Vorstellung, dass Männer zu Messiassen werden können, indem sie religiöse Rituale und die Macht angeblicher Göttlichkeit nutzen, seit dieser Zeit in andere Kulturen weiter getragen worden? In Teil 2 werden wir den Weg der Messiasse durch das Römische Reich und darüber hinaus weiter verfolgen.
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(TEIL 2)