Aus heiterem Himmel
War die Entstehung des Lebens hier auf der Erde ein glücklicher Zufall von Physik und Chemie? Oder war sie die Folge eines außerirdischen Ereignisses, sogar eines gezielten Plans von außerhalb?
Der Darstellung der modernen Wissenschaft zufolge war die Erde der Vorzeit ein stürmischer Ort. In seiner Anfangszeit, wahrscheinlich vor über 4,6 Milliarden Jahren, war unser Planet in seiner vulkanischen Jugendphase: Das Meer dampfte, sein Boden war voller kochender Schlote, der sauerstofflose Himmel durchzogen von einem Meteor-Bombardement. Dennoch glauben die meisten Biologen, dass sich in diesem höllischen Hexenkessel sehr früh die ersten Zellen gebildet haben – das Leben selbst.
Was spricht dafür? Zwar sind alle geologischen Belege aus jener Zeit durch Erosion und tektonisches Recycling verloren gegangen, doch enthalten einige der ältesten gefundenen Steine Fossilien von bakterienähnlichen Zellen.
Das ist ein Rätsel. Wie konnten sie sich unter solch lebensfeindlichen Bedingungen in situ entwickeln? Charles Darwin meinte einmal, das Leben habe vielleicht in einem „warmen, kleinen Tümpel“ begonnen, aber diese frühen Bedingungen scheinen dafür zu extrem. Der zeitliche Ablauf erscheint einfach zu plötzlich für eine Herausbildung der komplexen Details des Prozesses Leben durch natürliche Selektion. Dass sich aus Chemikalien spontan Zellen bilden, die durch Stoffwechsel, Genetik und Fortpflanzung charakterisiert sind, wurde nie beobachtet, trotz entsprechender Versuche. Nicht einmal unter den besten Bedingungen in den besten Labors, gefüllt mit allen erforderlichen Chemikalien, konnte je eine Forscherin oder ein Forscher eine Zelle neu erschaffen. Man kann neue Gene konstruieren und einbauen, um eine Zelle mit neu geschaffenem Genom herzustellen, doch die Formel beginnt immer mit einer bereits bestehenden Zelle.
Gegen alle Wahrscheinlichkeit?
Schon die Entwicklung von grundlegenden Vorgängermolekülen des Lebens – Amino- und Nukleinsäuren, Lipiden und Kohlehydraten – erfordert komplexe chemische Rezepte. Wenn das gelingt, müssen noch funktionelle Membranen, Passagen und Leitungen zur Energieaufnahme entstehen, dann müssen sie obendrein inhärent die Erbinformationen konfigurieren, die nötig sind, um das wieder und wieder zu tun. Und all dies muss, so die materialistische Sicht, sich selbst organisieren, ohne vorausgehendes Denken oder Ziel. Das wird Abiogenese genannt – die Theorie, dass das Leben irgendwann in ferner Vorzeit aus lebloser Materie entsprungen ist.
Obgleich die Abiogenese als naturwissenschaftliche Hypothese mit einiger Gravitas daherkommt, ist sie ein unbeweisbares sowie unwiderlegbares Narrativ – eine Folgerung, die plausibel wirkt, aber mehr auf Spekulation als auf Fakten beruht. Man könnte sagen, diese Ursprungsgeschichte zu glauben, erfordert nicht weniger Vertrauen, als zu glauben, dass Gott „Himmel und Erde erschaffen“ hat. Dass der Prozess Leben von einer Intelligenz erschaffen wurde, kommt sogar vielen Menschen logischer vor, auch etlichen Wissenschaftlern.
Der Wissenschaftstheoretiker und einstige Geophysiker Stephen Meyer schrieb 2005 in einem Artikel der kanadischen National Post, die Behauptung, dass Proteine sich selbst organisierten, sei „wie wenn man sagt, eine Zeitungsüberschrift könne durch die chemische Anziehung zwischen Druckerschwärze und Papier entstehen“. Als Vision Meyer bat, das zu erläutern, antwortete er: „Die Informationen – die großen Innovationen –, die erforderlich waren, um das erste Leben und nachfolgende Formen des Lebens entstehen zu lassen, liefern Beweismaterial für die Aktivität irgendeiner planenden Intelligenz in der Geschichte des Lebens. Informationen sind das Produkt eines Geistes, das Ergebnis einer intelligenten Ursache.“
Die Mathematik stützt diese Folgerung. Dass sich die funktionellen Aminosäuresequenzen innerhalb einer einfachen Zelle bilden, ist laut einer Studie statistisch bestenfalls sehr unwahrscheinlich: Die Wahrscheinlichkeit beträgt zwischen 1:10100 und 1:1040.000. Das ist eine 1 mit zwischen 100 und 40.000 Nullen. (zum Vergleich: Die Chance, den Hauptpreis beim „Lotto America“ zu gewinnen, beträgt 1:2,6 x 107 bzw. 1:26 Millionen.)
„Selbst wenn man von dem niedrigeren Wert in dieser Bandbreite ausgeht, bleibt die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Leben durch Abiogenese wirklich verschwindend gering.“
„Das hier angeführte Argument der Unwahrscheinlichkeit hat natürlich seine Kritiker“, räumen die Forscher Carl Gibson und Chandra Wickramasinghe ein. „Wissenschaftliche Argumente für die Abiogenese sind nach wie vor schlecht definiert; so sind nicht einmal Prozesse identifiziert worden, die von präbiotischer Chemie zu Leben führen können. Die enorme Wahrscheinlichkeitshürde muss irgendwie überwunden werden.“
Aber es gibt uns – uns und Millionen andere Spezies. Wie kann es dazu gekommen sein? Ockhams Rasiermesser – das Prinzip, das besagt, dass man die einfachste Lösung suchen sollte – bietet eine nützliche Linse für die Betrachtung der möglichen Lösungen zum Ursprung des Lebens auf der Erde.
Ein warmer, kleiner Tümpel – irgendwo
Seit den 1870er-Jahren, als Charles Darwin (in einem Brief an einen Kollegen) spekulierte, die Chemie des Lebens habe in „irgendeinem warmen, kleinen Tümpel“ auf der frühen Erde begonnen, sind Biologen, Geologen und Astronomen auf der Suche nach dem Ort dieses unglaublichen Glücksfalls. In The Genesis Quest: The Geniuses and Eccentrics on a Journey to Uncover the Origin of Life on Earth (Die Genesis-Suche – Die Genies und Exzentriker auf einer Reise, um den Ursprung des Lebens auf der Erde zu entdecken) erzählt der Wissenschaftsautor Michael Marshall die Geschichten dieser Suche. Er schreibt: „Dieses Buch ist die Geschichte der Wissenschaftler, die versucht haben, zu erklären, wie und warum auf unserem Planeten Leben entstanden ist.“
Jene Forscher sind auf vielen Wegen zahlreichen Vorstellungen nachgegangen, wie Marshall umreißt, aber die Antwort haben sie bislang nicht gefunden. Weil bei den Labor-Nachstellungen angenommener Bedingungen auf der frühen Erde noch kein funktionierendes Verfahren gefunden wurde, greift der Verdacht um sich, dass das Leben aus anderen Welten gekommen sein könnte, vielleicht von einem Mond des Saturn oder Jupiter, und dann hier eingewandert ist. Offenbar gibt es unter der gefrorenen Oberfläche einiger dieser anderen Welten „kleine Tümpel“.
Als erster Schritt zur Prüfung dieser Möglichkeit gilt es, Leben auf einem anderen Planeten zu finden. Gibt es außerhalb der Erde Leben? Und wenn ja, ist es vergleichbar mit irdischem Leben? Beruht es auf Zellen? Auf DNS? Der Zweck der Suche nach außerirdischem Leben ist, herauszufinden, ob und wie es mit dem Leben auf unserem Planeten verwandt ist – eine Art interplanetarische Ahnenforschung.
Der erdähnlichste Ort für die Suche nach Verwandten ist heute der Mars. Seit den Viking-Landungen der 1970er-Jahre vor fast fünfzig Jahren arbeitet die NASA mit der Strategie, dem Wasser zu folgen. Nachdem nun reichliche Beweise dafür gefunden wurden, dass es auf dem Mars einmal Wasser gegeben hat, lautet die Mission „Suche nach Anzeichen für Leben“. Der Rover Perseverance ist jetzt dort und kreist um einen Krater, der tatsächlich so aussieht, als wäre er einmal ein Flussdelta gewesen. Der Rover wurde dafür gebaut, Bohrkerne zu gewinnen, die eines Tages fossile Belege für Mikroorganismen (oder sogar Sporen?) liefern könnten. Aber halten Sie nicht den Atem an – die endgültige Auswertung liegt wahrscheinlich noch Jahrzehnte in der Zukunft. Perseverance kann nur die Kerne aus dem Boden holen; er kann sie nicht untersuchen. Die kleinen Steinzylinder müssten bei einer eigenen Mission zur Abholung der Proben eingesammelt werden, die noch in weiter Ferne steht.
Und nun wird die Venus noch einmal in den Blick genommen. Auch auf ihr könnte es einmal Wasser gegeben haben, und so hat die Entdeckung merkwürdiger organischer Moleküle in ihrer Atmosphäre neue Fragen um eine potenzielle Entwicklung von Leben auf der Venus aufgeworfen. Die NASA plant bis 2030 neue Missionen mit dem Ziel, „zu verstehen, wie die Venus eine infernoartige Welt geworden ist, während sie so viele andere Merkmale hat, die unserer ähnlich sind – und vielleicht die erste bewohnbare Welt in unserem Sonnensystem war, komplett mit einem Ozean und erdähnlichem Klima“.
Samen des Lebens
Obgleich es keine Beweise für Abiogenese oder spontane Entstehung gibt, scheinen seltsamerweise viele zu erwarten, dass überall und unabhängig voneinander auf anderen Planeten plötzlich Leben entstanden wäre. Den Einfachheitstest dürfte dies allerdings nicht bestehen. Was aber, wenn das Leben, statt sich auf jedem Planeten gegen alle Wahrscheinlichkeit durchsetzen zu müssen, aus dem Weltraum selbst gekommen ist?
Die Vorstellung, dass das Leben vom Weltraum aus auf der Erde ausgesät worden ist, heißt Panspermie. Laut dieser Entstehungstheorie begann das Leben außerhalb unseres Sonnensystems und trieb dann – wie Samen, die von einer Brise verweht werden – durch die Galaxis, um Fuß zu fassen, wo es die Bedingungen erlaubten. Könnten jene Meteore, die auf die frühe Erde niederregneten, tatsächlich Bakterienzellen mitgebracht haben? Könnten diese die Vorfahren der heutigen extremophilen Bakterien sein, die noch immer Tiefseeschlote, Felsspalten und andere sehr saure oder salzige Milieus besiedeln? Vielleicht wurden solche frühen Migranten die Wurzel von Darwins Baum des Lebens?
In Marshalls The Genesis Quest genießt die Panspermie nicht viel Kredit: Den Ursprung des Lebens von der Erde wegzuschieben, löse das Problem des Ursprungs nicht. „Das philosophische Problem mit der Panspermie ist, dass sie mogelt. Statt einen Prozess zu entwickeln, durch den das Leben auf der Erde begonnen haben könnte, und ihn zu testen, entziehen sich Verfechter der Panspermie der Herausforderung, indem sie sagen, die Entstehung des Lebens sei äußerst unwahrscheinlich gewesen, nur einmal in der Galaxis geschehen und nicht wiederholbar. Das ist keine Erklärung, sondern das Eingeständnis einer Niederlage.“ Und er fügt hinzu: „Man könnte ebenso gut sagen, Gott hat es gemacht. Besser ist es, man stellt sich den Schwierigkeiten.“
Aber das haben wir, und wir tun es weiterhin. Und obgleich wir viel mehr wissen und viele weitere Experimente durchgeführt haben, wie Marshall berichtet, scheint die beste Antwort noch immer zu lauten: „Gott hat es gemacht.“
Als eine hypothetische Erklärung zum Ursprung des Lebens gibt es die Panspermie seit der Antike. Das Wort, zusammengesetzt aus pan (ganz, allumfassend, all-) und sperma (Same), wurde vom griechischen Philosophen Anaxagoras geprägt, der damit seine Sicht der Ursprünge beschrieb. In einem Vortrag vor der British Association for the Advancement of Science brachte William Thomson (besser bekannt als Lord Kelvin) den Gedanken 1871 einem moderneren Publikum nahe – zur selben Zeit, als Darwin über den warmen Tümpel spekulierte und sein Werk Über den Ursprung der Arten lebhaft diskutiert wurde. Dass sich bestehende Spezies durch natürliche Selektion auseinanderentwickeln und neuen Bedingungen anpassen, wurde weithin anerkannt, doch Fragen nach dem ersten Ursprung waren, wie auch heute noch, weiterhin umstritten. Die meisten Zeitgenossen hielten es jedoch für die einfachste Antwort, dass die Erste Ursache Gott sei.
Manche vertraten aber auch die Ansicht, Gott habe in seiner Allmacht Leben im gesamten Universum verbreitet. Panspermie könne beschreiben, wie alle Welten mit Leben erfüllt wurden, natürlich nicht mit anderen Menschen, aber mit dem Potenzial für Leben gemäß den jeweils herrschenden Bedingungen. Leben sei in sich „gut“; wenn Gott also die Erde, die „wüst und leer“ war, mit Leben gefüllt habe, habe er das Gleiche im gesamten Kosmos tun können.
„Weil wir alle zuversichtlich glauben, dass es gegenwärtig und seit grauer Vorzeit neben unserer Welt viele Welten mit Leben gibt,“ sagte Kelvin, „müssen wir es als in höchstem Maße wahrscheinlich ansehen, dass sich zahllose samentragende Meteorsteine durch den Raum bewegen. Wenn es im gegenwärtigen Augenblick kein Leben auf dieser Erde gäbe, könnte sie, nachdem ein solcher Stein auf sie fällt, durch natürliche Ursachen, wie wir es blind bezeichnen, mit Vegetation bedeckt werden.“ (Hervorhebung von Kelvin) Sein abwertender Verweis auf natürliche Ursachen lässt seine Überzeugung erkennen, dass tatsächlich Gott ein solches Geschehen steuern würde – im Gegensatz zu Darwins Vorstellung von geistloser, zielloser Chemie. Er zitierte einen anderen zeitgenössischen Kollegen mit dem Argument, die natürliche Selektion habe „eine ständig lenkende und steuernde Intelligenz nicht ausreichend berücksichtigt.“
Svante Arrhenius, der 1903 den Nobelpreis für Chemie erhielt, rückte die Panspermie 1908 wieder ins Rampenlicht. Trotz seiner Skepsis, ob lebende Zellen im unwirtlichen Weltraum überleben könnten, kam er zu dem Schluss, dass alles Leben im Universum, miteinander verwandt wäre, wenn sich die Theorie als richtig erwies. Dies ist demnach eine weiterhin offene Frage.
„Wir erkennen, dass nach dieser Version der Panspermie-Theorie alle organischen Wesen im gesamten Universum miteinander verwandt sein sollten und dass sie aus Zellen bestehen sollten, deren Bestandteile Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff sind.“
Tatsächlich wird die Vorstellung, dass das Leben eine Reise durch das Universum durchgehalten habe, durch neue Forschungsergebnisse gestützt. Die Bedingung, die Arrhenius vor einem Jahrhundert nannte – die Notwendigkeit, die Torturen des Weltraums zu überleben –, ist offenbar erfüllt worden, zumindest kurzfristig: Untersuchungen an Bord der Internationalen Raumstation ISS haben bestätigt, dass eine kleine Kugel aus Bakterien eine „Arche für die interplanetare Reise von Mikroben“ bilden kann. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Bakterien im Inneren von steinigem Material jahrelang im All überlebt haben.
Und von diesem Material gibt es eine Menge. Laut einer Schätzung sinken jedes Jahr 5.000 Tonnen kosmischer Staub auf die Erdoberfläche.
Summa summarum müssten wir, wenn die Panspermie Realität wäre, Anzeichen für Leben finden können, wohin wir auch sähen: auf der Erde, dem Mars, der Venus oder auf jedem Himmelskörper, der einmal genug Wärme und Wasser für sein Aufkeimen geboten hat. Wenn es aber so wäre, was würde dadurch bewiesen werden? Dass Chemie Leben hervorbringen kann oder dass Gott wirkt? Und was, wenn niemals außerirdisches Leben entdeckt wird? Die einfachste Antwort auf die Frage nach der Ersten Ursache wird noch immer Gott sein.
Wissenschaftler suchen natürlich definitive Antworten und stellen weiter komplexe Hypothesen auf. 1973 schrieben Francis Crick und Leslie Orgel gar, die Panspermie könnte gezielt von Außerirdischen eingesetzt werden, um das Weltall zu kolonisieren. Ihre Entgegnung auf „Gott hat es gemacht“ lautete: außerirdischer Geheimdienst. „Könnte das Leben auf der Erde als Folge einer Infektion mit Mikroorganismen begonnen haben, die mittels eines speziellen, unbemannten Langstrecken-Raumschiffs von einer technologischen Gesellschaft auf einem anderen Planeten absichtlich hierhergeschickt wurden?“ Sie fanden die Beweislage unklar, schlossen aber eine Intervention durch Außerirdische nicht aus und merkten an, dass wir bei unserer eigenen Raumfahrt darauf achten müssten, nicht andere Welten mit unseren Mikroorganismen zu kontaminieren – ein Gedanke, den sich verschiedene Raumfahrtbehörden einschließlich der NASA zu Herzen genommen haben.
Kometen-Panspermie
Chandra Wickramasinghe ist einer der Begründer der Astrobiologie, die er als „Synthese von Astronomie und Biologie“ definiert. Er stimmt weder der Vorstellung von Gott noch der von Außerirdischen als Erster Ursache zu, empfindet aber das derzeit akzeptierte wissenschaftliche Modell als erstickend und schreibt: „Im Kontext des anhaltenden Scheiterns von Laborversuchen, zu zeigen, dass Abiogenese in kleinem Maßstab eine tragfähige wissenschaftliche Theorie ist, bei einer superastronomischen Unwahrscheinlichkeit eines Übergangs von organischen Chemikalien zu Leben, nimmt die Überzeugung rasant zu, dass der Ursprung des Lebens einen kosmologischen Rahmen haben muss.“ Vision gegenüber bezeichnete er viele kritische Einwände als „polemische Äußerungen kultureller Vorurteile“.
„Das Festhalten an den Standardvorstellungen der Abiogenese ohne irgendeinen Beweis hat mehr von einer Religion als unsere rivalisierenden Vorstellungen.“
Er jedenfalls findet, es sei längst Zeit, einzuräumen, dass Darwins Vorstellung von einem Ursprung des Lebens in nicht so ferner Vergangenheit widerlegt wurde: Die Theorie, dass eine Ursuppe der Ausgangspunkt allen Lebens auf der Erde sei, „ist im Wesentlichen eine präkopernikanische Vorstellung, und ich betone, sie hat keine Basis in der Logik, und sie hat keine Basis in Fakten, und […] sie ist unrettbar fehlerhaft.“
Als Verfechter der Panspermie sträubt sich Wickramasinghe gegen jede Behauptung, die Theorie habe religiöse Beiklänge. Er schrieb an Vision: „Panspermie als Religion zu bezeichnen, ist ein Beispiel für eine von Grund auf voreingenommene Art des Denkens gegenüber dem stetig wachsenden Wissen über Fakten, die klar zu einer bestimmten, wenn auch unpopulären wissenschaftlichen Theorie passen und nicht zu dem herrschenden Paradigma der Abiogenese.“
Gemäß der spezifischen Theorie der Kometen-Panspermie, die er und Fred Hoyle erstmals in den 1980er-Jahren publizierten, überwand das Leben die Unwahrscheinlichkeit seiner spontanen Entwicklung in einer sehr frühen Phase des Universums, nicht der Erde. Milliarden von Jahren vor der Entstehung der Erde hatten sich auf Urplaneten bereits biologisch wichtige Moleküle gebildet, die existierten, noch ehe die ersten Sterne geboren wurden. In der gesamten Geschichte des Universums, so Wickramasinghe, werden bei der Bildung von Planeten, Kometen und Sternen „kontinuierlich diese Chemikalien in der Vielfalt wässriger Milieus recycelt, die gebraucht werden, um die organischen Monomere zu produzieren, die eine Voraussetzung für den Ursprung des Lebens sind. Planeten machen Sterne. Sterne befruchten Planeten. Kometen säen diese aus.“
In diesem Szenario zirkulieren organische Moleküle und ihre chemischen Nebenprodukte seit kurz nach dem Urknall durch den Weltraum. Die Theorie behauptet, dass die organischen Verbindungen, die heute im interstellaren Raum beobachtet werden, nicht die präbiotischen Vorläufer des Lebens sind; sie seien die Überreste von Leben, Belege „eines veritablen Friedhofs kosmischer Bakterien“ und genetischer Fragmente, einschließlich der Viren und Viroide. Die Theorie erklärt die mysteriöse dunkle Materie, die Astronomen derzeit Rätsel aufgibt, als durch die Galaxien verstreute Überreste dieser frühen Planeten.
Allerdings glauben die meisten Fachleute nicht, dass diese Theorie durch die Indizien validiert wird.
Das ungelöste Problem der Ersten Ursache
Die heutigen Fähigkeiten, die komplexe Vielschichtigkeit der Zelle und die chemischen Prozesse des Lebens zu zerlegen, hätten die Vorstellungskraft von Wissenschaftlern im späten neunzehnten Jahrhundert überfordert. Heute würde wahrscheinlich sogar Darwin kaum glauben, Leben könnte sich ohne Ziel oder Lenkung selbst erschaffen und gestalten. Könnte er sehen, was die moderne biologische Wissenschaft offenbart hat, würde er vielleicht zu der gleichen Ansicht kommen wie Zeitgenossen, die seine Theorie einst kritisierten.
Dennoch ist die Orthodoxie der modernen Biologie in einer materialistischen Grundeinstellung verankert, die von Darwins Denken stammt. Wie der Philosoph Meyer heute wäre Kelvin entsetzt, wenn er sehen könnte, wie sich die Wissenschaft dieses Bild eines ziellosen, ungelenkten Ursprungs zu eigen gemacht hat. Er schrieb damals: „Überwältigend starke Beweise für Intelligenz und wohlwollende Planung sind überall um uns herum.“ Nicht die Vorstellung einer Panspermie stützt notwendigerweise diesen Schluss, sondern einfach die Existenz des Lebens selbst.
Es gibt „Verwirrungen, ob metaphysisch oder naturwissenschaftlich“, räumte Kelvin ein, die manchmal ablenken – z. B. die „jüngsten zoologischen Spekulationen“, wie er die Diskussion um ziellose Evolution nannte.
„Ich bin zutiefst überzeugt, dass das Argument der Planung in den jüngsten zoologischen Spekulationen viel zu sehr aus den Augen verloren wurde.“
Die Beweise für Gottes Wirken sind überall um uns, schloss Kelvin, und wenn wir uns ob dieser Verwirrungen einmal davon abwenden, „kommen sie mit unwiderstehlicher Gewalt wieder über uns und zeigen uns durch die Natur den Einfluss eines freien Willens und lehren uns, dass alles, was lebt, von einem stets handelnden Schöpfer und Herrscher abhängt.“
Eineinhalb Jahrhunderte später kommt Marshall in The Genesis Quest zu einem weit weniger mystischen Schluss. Von seiner Forschung ausgehend, entwickelt er ein Bild des geheimnisvollen Glücksfalls, der die versprengten molekularen Einzelteile zusammenbrachte, aus denen die Natur, wie er glaubt, die Zelle baute. Aber selbst aus seiner materialistischen Sicht bleibt Leben ein Ausnahmephänomen und unser Planet ein besonderer Ort. Weil Erde und Leben untrennbar verbunden sind, schließt er, „leben wir hier, oder wir leben nirgendwo“.
Am Ende ist die Frage nach den Ursprüngen tatsächlich eine Glaubensfrage. Manche vertrauen auf die Vorstellung, dass die unglaubliche Unwahrscheinlichkeit der Entstehung von Leben irgendwo und irgendwie durch natürliche Mittel überwunden wurde – in jenem symbolträchtigen warmen Tümpel. Andere hingegen wenden sich dem Übernatürlichen zu.
Es ist eine Glaubensfrage, weil es naturwissenschaftlich nicht möglich ist, einen spirituellen Aspekt in der Realität nachzuweisen oder festzustellen, ob wir unser Dasein einer Instanz verdanken, die über das Physische hinausgeht. Deshalb unternehmen Forscher extreme Anstrengungen, um den Ursprung des Lebens in rein physischen Begriffen zu erklären, und entwickeln Szenarien, die die Bereitschaft, zu glauben, oft über das Höchstmaß hinaus strapazieren. Solche Vorstellungen verdeutlichen die Einfachheit der Alternative – dass ein nichtphysisches Wesen existiert und in ferner Vergangenheit gehandelt hat, um physische Lebensformen zu erschaffen. Als Erklärung des Ursprungs ist dies letztlich sinnvoller als die materialistischen Hypothesen, die selbst andere Naturwissenschaftler aus rein wissenschaftlichen Gründen verworfen haben.