Wie Englisch so populär wurde
In einer globalisierten Welt ist eine internationale Lingua franca vielleicht unvermeidlich. Was bedeutet es, dass Englisch die „Weltsprache“ von heute ist?
Englisch ist wahrhaft global. Mit weit über einer Milliarde Sprechern ist es die am meisten gebrauchte Sprache der Welt. Das ist beeindruckend genug, aber anders als die nächsten Konkurrenten (Mandarin-Chinesisch und Hindi) spielt Englisch auch weltweit eine besondere Rolle als Lingua franca – eine Brückensprache zwischen Menschen unterschiedlicher Muttersprache. Tatsächlich ist Englisch für die meisten Sprecher eine sekundäre Sprache.
Das ist bemerkenswert bei einer Sprache, die bis vor relativ kurzer Zeit generell unbedeutend war. Vor nur vier Jahrhunderten wurde Englisch fast ausschließlich auf den Britischen Inseln gesprochen. Wie isoliert es war, wird anschaulich in Shakespeares Drama Richard II. vermittelt, wo der Herzog von Norfolk – der aus England verbannt worden ist – darüber klagt, dass er seine Muttersprache aufgeben muss: „Die Sprache, die ich vierzig Jahr gelernt / Mein mütterliches Englisch, soll ich missen / Und meine Zunge nützt mir nun nicht mehr / Als, ohne Saiten, Laute oder Harfe.“
Wie seltsam diese Worte heute wirken! Englische Muttersprachler sind inzwischen an die Vorstellung gewöhnt, dass ihre Sprache überall auf der Welt gesprochen wird. Doch selbst im letzten Jahrhundert schien dies noch unwahrscheinlich. Der Linguist David Crystal schreibt: „1950 war jegliche Vorstellung von Englisch als echter Weltsprache nichts als eine nebulöse, schattenhafte, theoretische Möglichkeit. […] [Jetzt] existiert weltweites Englisch als eine politische und kulturelle Realität.“
Sein Fachkollege Nicholas Ostler fasst es weiter: „Im Lauf der jüngeren Geschichte – in nicht mehr als vier Jahrhunderten – hat es sich von der Beschränkung auf ein paar abgelegene Inseln neben dem europäischen Festland so ausgebreitet, dass es weltweit das bevorzugte Medium für Geschäft, Wissenschaft und teilweise sogar Unterhaltung geworden ist.“
Ist das wichtig? Eine Sprache ist doch wie jede andere – ein Paket von Grammatikregeln, Ausnahmen und verwirrenden Eigentümlichkeiten. In einer globalisierten Welt ist eine internationale Lingua franca vielleicht unvermeidlich; wäre es nicht Englisch, dann eine andere. Doch das ist beileibe nicht alles. Der Aufstieg des Englischen wurde von zahlreichen historischen Kräften und menschlichen Interessen angetrieben. Crystal merkt an: „Ohne eine starke Machtbasis, welcher Art auch immer, kann keine Sprache als internationales Kommunikationsmedium vorankommen. Sprache hat keine unabhängige Existenz.“ Sie ist das Produkt menschlicher Aktivität.
Der Historiker Daniel Immerwahr weist darauf hin, dass Sprache bestimmt, wie wir denken und wie wir unsere Gesellschaften strukturieren, und dass sie sogar Einfluss darauf hat, ob wir uns mit bestimmten Vorstellungen wohler fühlen als mit anderen: „Dass eine einzelne Sprache die dominante Sprache der Erde geworden ist, die fast alle Gebildeten und Mächtigen mehr oder minder sprechen, ist deshalb ein Geschehen mit tief greifenden Auswirkungen.“
„Sprachen sind Standards, genau wie Stoppschilder und Schraubengewinde, aber sie gehen viel tiefer. Sprachen formen das Denken, machen bestimmte Vorstellungen leichter denkbar und andere weniger leicht.“
Es gibt Gründe dafür, dass Englisch – und nicht Französisch, Latein oder Persisch – heute vorherrschend ist, und sie offenbaren etwas über uns als Menschen. Seine weltweite Bedeutung wird manchmal gefeiert, manchmal abgelehnt; und dieses gemischte Bild wirft kritische Fragen auf. Ist die Dominanz einer einzelnen Sprache etwas Gutes? Ist es ein Wert, wenn mehrere Sprachen nebeneinander bestehen? Können englische Muttersprachler es sich leisten, sich auf eine einzige Sprache zu verlassen (wie viele es tun)? Was könnte die Zukunft für das Englische und die Welt der Sprache als Ganzes bringen?
Warum Englisch?
Englisch ist nicht die erste Weltsprache. Die biblische Überlieferung über den Turmbau zu Babel beschreibt eine frühe Lingua franca. Babel endete in sprachlicher Spaltung, aber seither sind andere allgemeine Verkehrssprachen gekommen und gegangen: Aramäisch im alten Babylon, Persisch und Latein in Zentralasien bzw. Europa und Französisch bei den europäischen Eliten, um nur einige zu nennen. Doch Englisch ist die erste, die wirklich weltweit gesprochen wird.
Wie kam Englisch zu einer solchen Vormachtstellung? In mancherlei Hinsicht war das ein Nebeneffekt größerer Prozesse. Doch es wurde auch als Mittel zum Zweck eingesetzt, entweder für Machtpolitik oder zum persönlichen Vorteil. Die Geschichte zeigt, dass sein Aufstieg oft beabsichtigt war und dass damit immer – oft auch in besorgniserregender Weise – Eigennutz verbunden war.
Die Vorstellung von Englisch als Lingua franca ist überraschend alt. 1780 schrieb der spätere US-Präsident John Adams:„Englisch ist dazu bestimmt, im nächsten und in den folgenden Jahrhunderten allgemeiner die Sprache der Welt zu sein, als es Latein in den vergangenen war oder Französisch in der Gegenwart.“ Rund ein Jahrzehnt später schrieb der Lexikograf Noah Webster, innerhalb von 150 Jahren werde „Nordamerika mit Hunderten Millionen Menschen bevölkert sein, die alle dieselbe Sprache sprechen“.
Diese Voraussagen sind bemerkenswert weitsichtig, doch selbst in Adams’ Zeit war der Gedanke nicht neu. Schon Jahrzehnte zuvor hatte die Ausbreitung des Englischen mit Englands imperialen Bestrebungen begonnen. Als Großbritannien anstelle von Handelsplätzen Kolonien etablierte, zeigte sich der Wunsch nach Herrschaft durch eine zentrale Sprache – und natürlich wurde dafür Englisch gewählt.
Mitunter ergriffen Kolonisten, statt durch Überzeugung zu herrschen, aggressivere Maßnahmen. In Irland, Australien und Neuseeland zwangen sie den einheimischen Gesellschaften Englisch anstelle ihrer eigenen Sprachen auf und schrieben per Gesetz Einsprachigkeit vor. Auch der transatlantische Sklavenhandel zerriss und verpflanzte Familien und Lebensgemeinschaften und zwang sie, die Sprache ihrer Herren zu lernen. Sprache war ein Machtinstrument.
In Indien waren es Missionare, die den Aufstieg des Englischen einleiteten. Kirchenmänner verschiedener Glaubensrichtungen gründeten ab dem 18. Jahrhundert englischsprachige Schulen – vordergründig, um Einheimische zu bekehren und zu bilden, aber angetrieben von einem ungenierten Gefühl rassischer und kultureller Überlegenheit. Ostler nennt viele Beispiele, darunter ein Manuskript des Klerikers D. MacKinnon, der 1801 schrieb: „Die dunkle Rasse erschien und erscheint mir begraben in Dunkelheit. […] Die Eingeborenen Indiens können durch ihre eigenen Sprachen nicht erleuchtet werden.“ Hier sollte angemerkt werden, dass später im 19. Jahrhundert die neu gegründete British and Foreign Bible Society begann, Bibelübersetzungen in den Sprachen Indiens zu publizieren.
Eine ähnliche Rolle spielten englischsprachige Schulen an Orten wie Hongkong, Singapur und Penang. Englisch war ein Weg, um an der selbst erklärten Überlegenheit englischsprachiger Völker teilzuhaben. Bald wurde es mit Macht, Bildung und Ambition assoziiert – ein Weg zu Status und Wohlstand.
Die Anziehungskraft des Englischen im Kontext persönlicher Ambition ist in der Geschichte immer wieder zu sehen. Northrup nennt mehrere Beispiele: Schon im Mittelalter „lernten von Eigennutz motivierte Iren, die Handels- und andere Kontakte mit den Engländern hatten, etwas von deren Sprache“. Außerdem zitiert er einen Bericht aus den 1920er-Jahren über britische Kolonien in Ostafrika, der zu dem Schluss kam, eingeborene Völker seien „,begierig, eine europäische Sprache zu lernen‘, weil sie glaubten, Englisch werde Türen für den Aufstieg öffnen“. In Zusammenhang mit Liberia im späten 19. Jahrhundert zitiert er den afro-karibischen Staatsmann Edward Wilmot Blyden: „Neben der christlichen Religion ist das wichtigste Element der Stärke und des Wohlstands in Liberia die Beherrschung der englischen Sprache.“
In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg boten die Macht und der offensichtliche Reichtum der USA starke Motive, Englisch zu lernen. Internationale Studenten besuchten amerikanische Universitäten, um ihre Zukunftschancen zu verbessern, und amerikanische Filme, Musik und Unternehmenskultur – von McDonald’s bis Silicon Valley – priesen ein idealisiertes Hochglanzleben an. Amerikas kultureller Stempel ist schwer zu messen, aber über einen großen Teil des 20. Jahrhunderts war seine Stärke unbestreitbar. Internationale Förderung amerikanischer Ideale war ein ausdrückliches Ziel der US-Außenpolitik und leicht umsetzbar, da Englisch bereits als die Sprache der gebildeten Elite etabliert war – eine Verbindung, die durch den „amerikanischen Traum“ vom individualistischen Erfolg verstärkt wurde. Und obwohl Amerikas Stern seinen Glanz international weitgehend verloren hat, ist die Verbindung zwischen persönlichem Aufstieg und der englischen Sprache noch immer stark.
„Englisch wird assoziiert mit dem Bestreben, reich zu werden, dem gezielten Erwerb von Wohlstand, oft mit ganz neuartigen und einfallsreichen Methoden.“
Einkommensstatistiken bestätigen diese Wahrnehmung. Eine Erhebung des British Council ergab, dass Angestellte in Indien, die fließend Englisch sprechen, im Durchschnitt 34 % mehr verdienen. Selbst scheinbar pragmatische Gründe, Englisch zu studieren, sind dennoch aufstiegsmotiviert. Der Kulturhistoriker Edward Said berichtet von Studenten im Mittleren Osten, die einfach „vorhatten, letztlich bei Fluggesellschaften oder Banken zu arbeiten, wo Englisch die weltweite lingua franca war“.
Für andere ist Englisch eine weit mehr als nur wünschenswerte Fähigkeit und sie tun sehr viel dafür, sie zu erwerben. In Südkorea lassen zum Beispiel manche Eltern ihren Kindern, gewöhnlich im Alter von unter fünf Jahren, das Gewebebändchen unter der Zunge zerschneiden. Diese Operation wird als Lingualfrenektomie bezeichnet; sie soll es leichter machen, die schwierigen Laute l und r auszusprechen.
Brücke oder Barriere?
Das Aufkommen des Internets im späten 20. Jahrhundert schien den totalen Sieg des Englischen zu bestätigen. Die globale Ambition war implizit in seinem Namen „World Wide Web“, aber es war spezifisch auf die englische Sprache zugeschnitten. Damals schien das kein Widerspruch zu sein. Die beliebtesten Programmiersprachen – Python, C++, Java – sind alle von der englischen Sprache abgeleitet und ASCII – das Codiersystem, das in der Anfangszeit des Internets Nullen und Einsen in Buchstaben übersetzte – hatte für viele Buchstaben, die im englischen Alphabet nicht vorkommen, gar keinen Code.
Heute ist Englisch eindeutig die dominante Sprache im Internet. Ein Bericht von 2023 gibt an, dass über 57 % der Homepages von Websites auf Englisch sind – und der Rest dünn verteilt über Dutzende von Sprachen (auf Russisch, die zweithäufigste, entfallen nur 5,2 %).
Doch ganz subtil verändert sich die Lage. Statistiken zufolge herrscht Englisch zwar weiterhin vor, aber die Präsenz anderer Sprachen nimmt rasch zu. Das Internet auf Russisch und Chinesisch hat sich als resistent gegen Druck von außen erwiesen – dies legt nahe, dass andere Sprachen bereit sind, ihre Stellung zu behaupten. 2008 wurde ASCII vom für Sprachenvielfalt besser geeigneten UTF-8 abgelöst.
Dies gehört zu einem seit Langem bestehenden Trend des Widerstands gegen Englisch: Die Alliance Française wurde 1883 mit dem Ziel gegründet, die französische Sprache zu „verteidigen“. In Indien war das aufgezwungene Englisch ein zentraler Aspekt bei Mohandas K. Gandhis Protest gegen die britische Fremdherrschaft. In Puerto Rico sprechen, obgleich es seit mehr als einem Jahrhundert unter US-Hoheit steht, heute nur 20 % der Bevölkerung Englisch und eine große Mehrheit wehrt sich dagegen, es zu einer Amtssprache zu machen. Zunehmender Nationalismus, verbunden mit sprachlichem Erbe, geht mit einer Wiederbelebung aussterbender Sprachen einher – zum Beispiel Cornish, Hebräisch und Catalán. Und dezentrale britische Regierungen in Wales, Schottland und Nordirland haben bei der öffentlichen Beschilderung wieder lokale Sprachen eingeführt.
Der Rang des Englischen als globale Sprache ist also nicht so sicher, wie es scheinen könnte. Die meisten Sprecher nutzen es nur als Zweit- oder gar Drittsprache und viele andere in aller Welt haben keinen Platz für Englisch in ihrem Leben; trotz einer Milliarde Englischsprecher sagt uns eine simple Rechnung, dass sieben Milliarden von den acht Milliarden Erdbewohnern es überhaupt nicht sprechen. Die vielsprachige Welt dürfte also erhalten bleiben – und das hat Auswirkungen für uns alle.
Zungenbrecher und die Notwendigkeit von etwas Neutralem
Die Vorstellung einer grenzenlosen, einsprachigen Welt ist reizvoll und in einer begrenzten Weise sogar umgesetzt worden: Der polnische Augenarzt L. L. Zamenhof erschuf die künstliche Sprache Esperanto als Hilfsmittel zum Weltfrieden – dafür wurde er 1910 für den Friedensnobelpreis nominiert.
„Damit eine Sprache universal ist, reicht es nicht aus, sie so zu nennen.“
Die Idee hat eine logische Basis. Immer wieder hat die Geschichte gezeigt, dass sprachliche Verschiedenheit eine natürliche Quelle von Zwietracht ist. Im Zweiten Weltkrieg sandten die USA zum Beispiel ein Kapitulationsultimatum an Japan und die Antwort der Japaner enthielt das Wort 黙殺, mokusatsu. Es kann „keine Stellungnahme abgeben“ heißen und ausdrücken, dass sie noch überlegten, wie sie reagieren sollten. Es kann aber auch mit „verwerfen“ bzw. „ignorieren“ übersetzt werden. Leider fixierten sich die Alliierten auf die letztere Übersetzung und vernichteten zehn Tage später Hiroshima mit einer Atombombe.
Ein weiteres Beispiel ist eine Rede des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow aus der Hochphase des Kalten Kriegs mit der Formulierung мы тебя похороним!, einem idiomatischen Ausdruck, der im Russischen so viel bedeuten sollte wie „wir werden euch einholen und überholen“. Er stellte später klar, dass er dies im Sinn historischer Entwicklung gemeint hatte: Der Kommunismus werde den Kapitalismus überdauern. Bedauerlicherweise wurde der Ausdruck mit „wir werden euch begraben“ übersetzt und in Schlagzeilen des Westens weithin publiziert – die Übersetzung war technisch korrekt, gab aber dennoch den Sinn nicht richtig wieder. Durch sie wurde eine bereits gefährliche geopolitische Lage noch kritischer.
Diese berühmten sinnentstellenden Übersetzungen von qualifizierten Fachleuten sind nur einige Beispiele von vielen. Emotionen und Voreingenommenheit können eine Übersetzung verzerren, besonders in Situationen mit hohem Druck. Damit soll nichts über einfachen menschlichen Irrtum gesagt sein, vor dem wir alle nicht gefeit sind.
Daher scheint es offensichtlich, dass eine Verringerung der sprachlichen Kluft eine Besserung bewirken würde, aber tatsächlich hat die Dominanz des Englischen die Situation verschärft und zu noch mehr Spaltung geführt – ein Problem, das Zamenhof voraussah. Er war der Ansicht, Esperanto, das politisch neutral ist, werde die Probleme lösen, die damit einhergehen, eine existierende Sprache mit all ihren Altlasten zu übernehmen.
Er hatte recht, wie heute offensichtlich sein dürfte. Die historische Verbindung des Englischen mit dem Britischen Weltreich und kulturellem Imperialismus ist nicht leicht zu vergessen und die Ursache vieler der bereits erwähnten Widerstände. Zudem führt gerade seine Nutzbarkeit als Instrument persönlichen Aufstiegs zu Ungleichheit. Ostler schreibt: „Globale Sprachen spalten die Gesellschaften, die sie nutzen. Unweigerlich gibt es dann die, die sie beherrschen, und andere, die sie nicht beherrschen – und das macht oft einen entscheidenden Unterschied für die Chancen im Leben. Ein Gefühl von Ungerechtigkeit kann leicht mit einer Sprache assoziiert sein.“
Eine wenig verständnisvolle Antwort könnte lauten: „Na, warum lernen dann nicht alle Englisch?“, ohne die Hunderten oder sogar Tausenden Stunden zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um eine Sprache zu lernen – Stunden, die der Muttersprachler zu seinem Vorteil nutzen kann, um sich andere vermarktbare Fähigkeiten anzueignen. Das allgegenwärtige Fehlen von Verständnis für Nichtmuttersprachler verschärft die Ungleichheiten seit Jahrzehnten. Wer Englisch spricht, ist privilegiert. „Die ,Englisch sprechende Elite‘“, so Ostler, „ist in jedem Erdteil außer Nordamerika Lebenswirklichkeit, und in der Regel können ihre Mitglieder in der heutigen, ,globalisierten‘ Zeit die Entscheidungen treffen und abschöpfen, was an Überschüssen verfügbar ist.“
Sprache soll verbinden
Die Dominanz des Englischen vertieft die Ungleichheit in einer Welt, die schon voller Ungleichheit ist. Doch was kann man tun? Manche setzen ihre Hoffnung auf digitale „Übersetzer“, aber diese helfen nicht gegen eine andere, folgenreichere Quelle der Ungleichheit, die am besten an der merkwürdigen Selbstgefälligkeit englischer Muttersprachler gegenüber anderen Sprachen erkennbar ist.
Schon seit einiger Zeit ist das Lernen von Fremdsprachen in amerikanischen und britischen Schulen rückläufig; viele sehen es als Zeitverschwendung, Sprachen zu lernen. Crystal erinnert an ein Stereotyp, das „zu realitätsnah ist, um angenehm zu sein“ – den „Archetyp des britischen oder amerikanischen Touristen, der die Welt bereist und davon ausgeht, dass jeder Englisch spricht, und dass es irgendwie die Schuld der Einheimischen ist, wenn sie es nicht sprechen“. Das betrifft sogar die Mächtigen: Der letzte US-Präsident, der eine Fremdsprache fließend beherrschte, starb 1945.
Manche Menschen behaupten, sie seien „nicht gut“ in Sprachen, wobei sie die Tatsache ignorieren, dass Kleinkinder selbst mit den schwierigsten Sprachen durchaus zurechtkommen. Nötig ist, dass man sich bemüht, vielleicht sogar uneigennützig bemüht. Sprachliche Selbstgefälligkeit ist eigennützig – ein Aspekt eines größeren Problems, das kulturelle Isolation und Verständnislosigkeit zwischen Gesellschaften umfasst. Sprache reflektiert unsere Kultur und Weltsicht. Ebenso formt die Sprache, die wir sprechen, unsere Art, zu denken. Folglich können wir andere besser verstehen, wenn wir ihre Sprache kennen. Was bedeutet es, wenn wir uns dieser Verbindung mit anderen Völkern bewusst verweigern?
„Die zweisprachige Erfahrung kann das Denken in der Gewohnheit trainieren, Dinge aus der Sicht anderer zu sehen, was die Empathie fördert.“
Sprachbarrieren blockieren die Empathie und sind ein häufiges Merkmal von Konflikten, seien sie zwischenmenschlich oder international. Und das geht weit tiefer als simple (wenn auch folgenschwere) Übersetzungsmissverständnisse in Kriegszeiten. Es ist leichter, andere zu entmenschlichen, wenn man nicht versteht, was sie sagen, und viel schwerer, ihnen empathisch, großzügig und verständnisvoll zu begegnen, wenn man den Sinn ihrer Worte nicht begreift.
Sprache ist ein Fenster zu anderen Denkweisen, Perspektiven und Kulturen. Informationen zu sammeln, ist ein altbewährtes Mittel, um zu einem vernünftigen Schluss zu kommen; eine Weigerung, die Sprache der anderen zu verstehen, bedeutet, nützliche Erkenntnisse bewusst zu verschmähen. Über den Nutzen für die Gesundheit des Gehirns und die geistige Leistungsfähigkeit, den der Erwerb einer zusätzlichen Kompetenz bringt, ist damit noch nichts gesagt. In einer Welt, in der friedliche Beziehungen auf jeder Ebene ein kostbares Gut sind, dürfte das Erlernen einer Fremdsprache ein unschätzbares und sogar unverzichtbares persönliches Ziel sein.
Die Sprachbarriere überwinden
Was wir vorfinden, ist eine komplexe Situation. Die Vorteile von Englisch als Weltsprache sind klar für die, die es sprechen. Die Nachteile sind ebenso erkennbar, wenn auch nicht gleichermaßen anerkannt. Statt Frieden zu fördern, hat die Dominanz des Englischen Ungleichheit verstärkt, Eigennutz begünstigt und für Spaltung gesorgt. Englisch ist nicht das Problem; jede andere Sprache hätte unter vergleichbaren Bedingungen Ähnliches bewirkt. Wichtiger sind die menschlichen Motive, die dem Aufstieg einer Sprache zugrunde liegen.
Eigennutz – ob in Form von persönlicher Ambition oder Machtpolitik – ist von zentraler Bedeutung in der Geschichte des Englischen und diese Motivationen haben sich seit Menschengedenken als gefährlich erwiesen. Die biblische Überlieferung über den Turmbau zu Babel wirft ein Licht auf menschlichen Eigennutz und seine Folgen; im Neuen Testament fügt der Apostel Jakobus in seinem Brief hinzu, dass es „Unordnung und lauter böse Dinge“ (Jakobus 3, 16) gibt, wo solch selbstsüchtiger Ehrgeiz herrscht. Dieses Problem ist natürlich nicht auf Sprache beschränkt; es ist vielleicht in jedem größeren System auf unserer Erde zu finden und scheint auf Dauer verwurzelt zu sein.
Die Dominanz des Englischen ist das Ergebnis der Anhäufung von zahllosen eigennützigen Entscheidungen – ein missgestalteter und befleckter Bildteppich, den man am liebsten auseinanderpflücken würde, um noch einmal neu zu starten. Ein verwickeltes Problem ohne intuitive Lösung.
Die unmittelbare Zukunft verheißt keine Änderung. Die Menschen finden es offenbar schwierig, sich in andere einzufühlen, und Sprachbarrieren spielen dabei eine wesentliche Rolle. Idealistische Projekte wie Esperanto – eine altlastenfreie, reine Weltsprache – sind durchaus sinnvoll. Diese Art einer dramatischen, weitgreifenden Wandlung ist das, was gebraucht wird, um die heutigen Probleme zu lösen.
Auch hierzu sagt die Bibel etwas Ähnliches. Sie nennt nicht nur den Turmbau zu Babel als den Auslöser der sprachlichen Spaltung, sondern beschreibt auch die Lösung für die dort entstandenen Schwierigkeiten: Gott wird den Völkern „reine Lippen“ geben, damit sie ihm einträchtig dienen (Zefanja 3, 9) – dies ist Teil einer größeren Vision der Zukunft, in der die von Menschen ersonnenen Probleme gelöst werden. Es beschreibt eine göttliche Machtbasis, die der Sprache im Rahmen einer radikalen Wandlung der Art, in der Menschen miteinander umgehen, Legitimität und Nützlichkeit geben wird.
Eine Sprache, die auf Empathie und Mitgefühl basiert statt auf Eigennutz und Profit, wäre in der Tat eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem, was wir jetzt haben.